Keine Zweifel an Fluchtlegende

Das BAMF prüfte den Fall des angeblich Geflüchteten Franco A. nur oberflächlich

  • Joachim F. Tornau, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.

Franco A. ist in seinem Element. Aufgeregt rutscht der terrorverdächtige Bundeswehr-Offizier auf der Anklagebank hin und her, eifrig macht er sich Notizen, steckt seinen Verteidigern Zettel zu. Genüsslich hat sein Anwalt Moritz David Schmitt-Fricke gerade angekündigt, dem Zeugen - einem Mann, der 2016 als Entscheider für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gearbeitet hat - noch etliche Fragen stellen zu wollen. Doch dann bremst ihn das Gericht aus. »Wir haben hier keinen Untersuchungsausschuss zu Fehlern des BAMF«, bescheidet Senatsvorsitzender Christoph Koller kühl. Man möge also bitte beim Fall bleiben. »Dann habe ich keine weiteren Fragen mehr«, sagt Schmitt-Fricke. Er klingt ein bisschen eingeschnappt.

Sein Mandant muss sich unter anderem wegen des Verdachts der »Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat« vor dem Frankfurter Oberlandesgericht verantworten. Die Bundesanwaltschaft wirft dem Oberleutnant aus Offenbach vor, rechtsextreme Mordanschläge geplant und sich dafür die Tarnidentität als geflüchteter Syrer »David Benjamin« zugelegt zu haben.

Franco A., der sich trotz zahlloser Hinweise auf eine zutiefst rechtsextreme Gesinnung als aufrechter Demokrat und Menschenfreund darstellt, bestreitet das. Sein Doppelleben als falscher Flüchtling habe allein der Aufklärung dienen sollen - eine Undercover-Recherche im deutschen Asylsystem.

Wie ein Wasserfall auf seine Mühlen muss dem selbst ernannten Wallraff-Epigonen da vorkommen, was der einstige BAMF-Entscheider am Donnerstag als Zeuge zu erzählen hat. Der 52-Jährige, eigentlich bei der Bundesarbeitsagentur für die Vermittlung von Künstlerinnen und Künstlern zuständig, war 2016 zeitweilig an das Bundesamt abgeordnet und arbeitete damals im Akkord Asylanträge ab. Auch den von Franco A. alias »David Benjamin«. Erinnern kann er sich nicht mehr an den seltsamen Fall des angeblich französischsprachigen und katholischen Syrers, der sich wegen seines »jüdisch klingenden Namens« in Syrien nicht akzeptiert gefühlt habe. Zweifel? Offenbar keine.

»Ich weiß, dass ich hier keine rühmliche Rolle spiele«, sagt der Mann. Aber bei Geflüchteten aus Syrien habe er ohnehin nur noch zwischen dem subsidiären Schutz für Bürgerkriegsflüchtlinge und - bei Hinweisen auf politische Verfolgung - Gewährung von Asyl zu entscheiden gehabt. »Es gab Weisungen, dass Fälle aus Syrien nicht abgelehnt werden.« Und ob jemand wirklich aus Syrien kommt, habe er, der ohnehin nur nach Aktenlage entschied, nicht mehr zu prüfen gehabt. Das hätte in der Anhörung beim BAMF passieren sollen.

Das allerdings geschah bei »David Benjamin« allenfalls oberflächlich. Franco A. hat das halbstündige Gespräch heimlich mitgeschnitten, die Aufnahme ist im Prozess bereits abgespielt worden. Fragen, die die Legende des angeblichen Markthändlers ohne Arabischkenntnisse hätten erschüttern können, waren dabei nicht zu hören. Und die Antwort, was ihm bei einer Rückkehr nach Syrien drohen würde, bekam Franco A. von der Dolmetscherin in den Mund gelegt: »La mort« - der Tod.

Ein neonazistisches Manifest
Audiodateien geben vor Gericht Einblick in die Gedankenwelt von Franco A.

An diesem neunten Prozesstag vor dem Frankfurter Staatsschutzsenat kommt aber auch noch anderes aufs Tapet. Und das schickt den Angeklagten, der sich so gerne als Aufklärer ins helle Rampenlicht rücken will, wieder zurück ins Zwielicht. Da ist der rätselhafte Fund seiner Ausweispapiere, seines Führerscheins und seiner Bankkarten, von Mitgliedsausweisen und privaten Fotos in einer Mülltonne an der deutsch-französischen Grenze, nicht weit von der Kaserne im Elsass, wo Franco A. als Soldat Dienst tat. Wie sie dahingekommen sind, wer sie so dringend loswerden wollte und warum, ist völlig unklar. Nur dass der Oberleutnant den Inhalt seines Portemonnaies nicht selbst entsorgt hat, steht fest: Er saß da schon in Untersuchungshaft.

Und da sind die mehr als 20 Handy-SIM-Karten, die Franco A. besaß. Deutsche und französische, angemeldet auf verschiedene Namen, darunter arabisch klingende. Auch rund ein halbes Dutzend Mail-Konten habe der Terrorverdächtige unter Angabe falscher Identitäten betrieben, berichtet ein BKA-Ermittler. Einen dieser Alias-Namen nutzte der aufstrebende Offizier, um mit Gerd Schultze-Rhonhof zu kommunizieren: einem ehemaligen Generalmajor der Bundeswehr, der mit einem geschichtsrevisionistischen Bestseller über die Schuld am Zweiten Weltkrieg zu einem Star der rechten Szene geworden ist. Mit einem anderen unterschrieb er eine Kreditkarte. Was das Ziel dieser Camouflage war, hat Franco A. bislang nicht erklärt.

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