Zauberkugeln für die Medizin

Biolumne

  • Reinhard Renneberg
  • Lesedauer: 3 Min.

1975 gab es eine Revolution in der Immunologie, ohne die heute Corona-Schnelltests nicht möglich wären: Cesar Milstein (1927-2002), ein Argentinier, der vor der Militärdiktatur in seiner Heimat geflohen war und im britischen Cambridge arbeitete, und sein Doktorand, der Deutsche Georges Köhler (1946-1995), erfanden die Herstellung monoklonaler Antikörper (mAks). Das Verfahren ließen sie bewusst nicht patentieren: Sie wollten das Ergebnis allen Menschen zugänglich machen. Dafür gab es den Nobelpreis in Rekordzeit, nur neun Jahre später!

Monoklonale Antikörper sind Antikörper, in Zellkultur produziert, mit identischer molekularer Struktur und Spezifität. Klassische polyklonale Antikörper sind dagegen Mixturen verschiedenster Struktur und Spezifität, in Versuchstieren gebildet.

Die geniale Idee von Milstein und Köhler: Sie immunisierten zuerst Mäuse mit dem gewünschten Antigen, isolierten deren Antikörper bildende Milzzellen. Diese in Zellkultur schlecht wachsenden Zellen fusionierten sie mit Krebszellen (Myelomazellen), die ihrer Natur gemäß prächtig in Zellkultur wuchern. Die so erzeugten Hybridoma-Zellen wachsen gut in Kultur. So lassen sich gleichartige Antikörper hoher Qualität leicht in großen Mengen preiswert erzeugen!

Opernfreunde kennen sicher Carl Maria von Webers »Freischütz«, wo der Jägerbursche Max sich vom Teufel Zauberkugeln beschafft, die todsicher immer ihr Ziel treffen. Diese Opern-Idee war auch der Traum von Nobelpreisträger Paul Ehrlich (1845-1915) in Berlin. Moleküle, die sich selber den Weg suchen!

Nehmen wir als Beispiel eine Virusinfektion mit Covid-19: Man hat im Labor Zauberkugeln, monoklonale Antikörper gegen das Coronavirus bzw. seine Spike-Proteine erzeugt. Mit den Antikörpern kann man dann die Spike-Proteine diagnostisch in Körperflüssigkeiten nachweisen, z.B. mit Schnelltests. Sie können aber auch (wie bei Donald Trumps Infektion gut demonstriert) therapeutisch als passive Immunisierung eingesetzt werden. Sie blockieren dann die Spike-Oberflächenproteine des Coronavirus effektiv.

Monoklonale gegen die Alzheimer-Krankheit sind nun der neueste Hit! 35 Millionen Menschen leiden weltweit unter der Demenz auslösenden Krankheit, allein in Deutschland sind 1,6 Millionen dement.

Bei der Erkrankung sterben laut einer Hypothese Gehirnzellen ab durch Eiweißfragmente (Amyloidpeptid-Hypothese), sogenannte Plaques. Es gibt bisher weder ein Heilmittel, noch eine Impfung dagegen.

Aducanumab heißt ein neuentwickelter monoklonaler Antikörper, der seit 2003 erprobt wird. Aducanumab ist eine der »Zauberkugeln« Paul Ehrlichs. Man braucht einmal im Monat eine intravenöse Infusion, die die Zahl der Plaques beim Patienten reduziert. Aducanumab bindet an beta-Amyloid im Gehirn. Unerwünschte Nebenwirkungen sind allerdings regionale Schwellungen im Gehirn, Mikroblutungen, Kopfschmerzen und Stürze.

2019 jedoch wurde die Entwicklung eingestellt, wegen »wegen fehlender Aussicht auf Erfolg« abgebrochen. Nun gab es einen Aufschrei von Patientenverbänden: Aduhelm wurde im Juni 2021 zugelassen.

Neben dem Streit um die Wirksamkeitsstudien gibt es freilich noch einen Haken: Die Behandlung kostet pro Patient und Jahr etwa 56 000 Dollar. Da ist guter Rat teuer …

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