Viel Zustimmung für »Deutschland«

Nach den Sondierungen: SPD-Parteitag stimmt der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit CDU und FDP zu

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 3 Min.
Katja Pähle brauchte nicht lange, um die miese Stimmung bei den Sozialdemokraten in Sachsen-Anhalt wieder etwas aufzuheitern – wenngleich ungewollt. Die Fraktionschefin der SPD im Magdeburger Landtag hatte gerade ihre Parteitagsrede beendet, da geriet sie kurz ins Stocken. Mit Verwunderung stellte sie fest, dass ihr kurzer Vortrag schon zu Ende ist: »Das war die Rede.« Die Delegierten im Kulturhaus Leuna lachten und klatschten – man munkelt, zum ersten Mal seit jener Landtagswahl am 6. Juni, bei der die SPD mit 8,4 Prozent das schlechteste Ergebnis in der mehr als 30-jährigen Geschichte Sachsen-Anhalts erzielte.

Am Freitagabend waren die gebückten Sozialdemokraten zusammengekommen, um Wunden zu lecken: einerseits Bilanz zu ziehen nach diesem Debakel, andererseits dem Land und sich selbst den Weg in die Zukunft zu weisen. Vor anderthalb Wochen hatten die SPD-Verhandlungsführer mit den Spitzen von CDU und FDP die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen vereinbart – nun galt es, die Abmachung von einem Parteitag absegnen zu lassen.

Keine einfache Aufgabe: Verschiedene Teile der Partei hatten im Vorfeld ihren Unmut über eine Zusammenarbeit mit der FDP, die es zur Mehrheitsbildung nicht einmal braucht, zum Ausdruck gebracht. Tatsächlich hätte bereits eine schwarz-rote Koalition eine Mehrheit von einer Stimme, doch offenbar fürchtet sich Ministerpräsident Reiner Haseloff vor rechten Abweichlern in den eigenen Reihen. Die CDU einigte sich deshalb mit der FDP, setzte die SPD damit unter Druck – und die gehorchte: Mit großer Mehrheit stimmte der Parteitag der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zu.
Zuvor hatte Pähle dafür geworben, trotz erneuter Verluste bei der Landtagswahl auch in der kommenden Legislaturperiode in die Regierung zu gehen. Zwar garantiere die Mitwirkung an einer sogenannten Deutschland-Koalition nicht, »dass wir als eigenständige politische Kraft wahrgenommen werden«, sagte die Fraktionschefin – doch in der Opposition erhalte man vielleicht sogar noch weniger Aufmerksamkeit: »Denn auch dort wären wir eingeklemmt zwischen zwei anderen Parteien.« Sie meinte AfD und Linke, die bei der Wahl am 6. Juni ebenfalls eine historische Niederlage einstecken musste.

In der Folge entwickelte sich eine lebendige Diskussion mit gegensätzlichen Positionen. Der Schutz vor neoliberaler Wirtschaftspolitik bestehe darin, die Wirtschaftspolitik selber zu machen und nicht anderen zu überlassen, sagte etwa Wirtschaftsminister Armin Willingmann. Jungpolitikerin Katharina Zacharias entgegnete in einer höchst emotionalen Rede: »Lieber renne ich mir im Wahlkreis die Füße wund, als zuzulassen, dass wir uns von der Union emotional erpressen lassen.«

Die Jusos wiederum hatten in einem Initiativantrag für »rote Linien« geworben. »Die CDU will uns, also bekommt sie uns mit unseren Bedingungen«, sagte Juso-Landeschefin Franca Meye. In der Tat: Viele Christdemokraten wollen auch deshalb mit den Sozialdemokraten regieren, weil sie so eine weitere Zusammenarbeit mit den ungeliebten Grünen verhindern.

Der Antrag beinhaltete auch die Formulierung, dass der Landesvorstand vor einem endgültigen Mitgliederentscheid über die Koalition von ebenjener abraten solle, sollte der Koalitionsvertrag die »roten Linien« überschreiten. Allerdings wandten die Delegierten auf dem Parteitag einen Trick an, um diese Forderung zu umgehen: Sie übernahmen die »roten Linien« in einem Antrag des Landesvorstands und erklärten damit den Juso-Antrag für erledigt.

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