Zwitterjazz

Martin Böttcher: »Fiesta in Belo Horizonte«

  • Frank Jöricke
  • Lesedauer: 2 Min.

Sie waren um ihre Jugend betrogen worden. Sie hatten das Pech gehabt, zur falschen Zeit jung zu sein. Und nun, da die richtige Zeit hätte anbrechen können - Hitler tot, Krieg aus -, begriffen sie rasch, dass sie ranklotzen mussten, um nicht zu verhungern.

Martin Böttcher gehörte, wie Bert Kaempfert, Peter Thomas, Paul Kuhn, Hugo Strasser und Max Greger, zu jener Generation der verhinderten jungen Wilden. Sie alle lebten nach dem Krieg ihre Liebe zum Jazz - dem Rock ’n’ Roll der Vor-Rock-’n’-Roll-Zeit - verspätet aus.

Doch weil die Musik sie ernähren musste (was mit Liedern für Tanzkapellen und Fahrstühle am besten ging), war dieser »Jazz« ein seltsamer Zwitter. Er schmeichelte ohne Umwege den Ohren, klang auf Anhieb gefällig, bisweilen gar seicht. Erst beim genaueren Hinhören wurde man der Feinheiten gewahr, erkannte, wie viel Liebe zum Detail in den Arrangements steckte.

Denn die heute übliche Unterscheidung zwischen Auftragsarbeiten und Herzensangelegenheiten war Böttcher & Co. fremd. Ihr Berufsethos kannte keine Jobs zweiter Klasse. Für sie bot jeder Song die Chance, das eigene Können zu zeigen. Selbst wenn der Auftraggeber BASF hieß und die Aufgabe darin bestand, für einen Werbefilm über eine brasilianische Niederlassung eine Hintergrundmelodie zu schreiben.

Dies gelang Böttcher, dem Vater der Winnetou-Musik, mit »Fiesta in Belo Horizonte« so vorzüglich, dass der NDR den Song jahrelang als Titelmelodie seiner Hörfunksendung »Zwischen Hamburg und Haiti« verwendete. Auch eine Form der Anerkennung.

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