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Ein Sieg auf ganzer Linie

Nach Führungsstreit und Datenaffäre will der VfB Stuttgart geschlossen in die Zukunft gehen

Kurz nach halb neun, fast zehn zehn Stunden nach Veranstaltungsbeginn, stand fest, woran schon nachmittags niemand mehr zweifeln konnte: Der amtierende Präsident des VfB Stuttgart, Claus Vogt, war mit 1499 Stimmen (92,2 Prozent) für die kommenden vier Jahre wiedergewählt worden. Sein Gegenkandidat Pierre-Enric Steiner (»Ich kann Stimmungen lesen«), der seine Vorstellungsrede schon nach wenigen Minuten beendet hatte, kam gerade mal auf 177 Stimmen. »Ich freue mich, dass wir vier Jahre Planungssicherheit haben und auf allen wichtigen Positionen im Präsidium und Vereinsbeirat Ruhe reinbringen«, sagte Vogt dann am späten Sonntagabend. »Das tut uns allen gut.«

Für den Unternehmer Vogt war der Tag mit den gut 2000 Mitgliedern bei der Präsenzversammlung in der Stuttgarter Arena von Beginn an ein Heimspiel. Sein Lager setzte sich bei allen Personalentscheidungen durch. Rainer Adrion, der zuvor erfolgreich für eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge von 48 auf 60 Euro geworben hatte, wurde ebenso mit einem Traumergebnis von über 90 Prozent Ja-Stimmen zum Vizepräsidenten gewählt wie Christian Riethmüller, der 2019 noch gegen Vogt angetreten war, sich aber bereits bei den Streitigkeiten im Frühjahr auf dessen Seite geschlagen hatte. Adrion, langjähriger Trainer in Stuttgart, lobte dann auch die »harmonischste Versammlung, die ich hier je erlebt habe«, sowie die Disziplin der Mitglieder, die »zehn Stunden mit Maske in der Sonne ausgehalten« hätten.

Schwere Niederlagen

Bei den Abstimmungen am späten Nachmittag hatten Vogts Gegner schwere Niederlagen erlitten. So wurde Rainer Mutschler und Bernd Gaiser die Entlastung für die letzten beiden Präsidiumsjahre mit deutlichen Voten verweigert. Auch für die Entlastung des Ex-Präsidenten Wolfgang Dietrich stimmte nur etwa ein Viertel der Anwesenden. Für Sportvorstand Thomas Hitzlsperger, der Vogt im Dezember in einem offenen Brief scharf angegangen hatte, lief es besser. Schon zur Mittagszeit zeigte er sich bewegt, als er statt mit von ihm offenbar befürchteten Buh-Rufen mit höflichem Applaus empfangen wurde. Seiner Entlastung für das Jahr 2019, in dem er noch dem Präsidium angehört hatte, stimmten dann auch 81 Prozent zu. Besser schnitt nur Vogt selbst ab, der für beide Jahre mit über 91 Prozent entlastet wurde und noch einmal betonte, dass auch er bereit sei, die Gräben der Vergangenheit zuzuschütten: »Thomas Hitzlsperger hat sich entschuldigt. Und ich habe die Entschuldigung angenommen.«

Nach seiner Wahl bejahte Vogt die Frage, ob er sich vorstellen könne, mit Hitzlsperger über 2022 hinaus weiterzuarbeiten: »Definitiv, das wünschen wir uns alle.« Es ist allerdings fraglich, ob der Wunsch alleine ausreicht, um die unterschiedlichen Vorstellungen darüber, wie ein Profiverein zu führen sei, in Einklang zu bringen. Das Stimmungsbild an der Basis erschien am Sonntag jedenfalls eindeutig: Die Mitglieder wünschen sich eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen Hitzlsperger und Vogt, der betont hatte, »so etwas wie die Datenaffäre« dürfe »nie wieder passieren«. Vor seiner Amtszeit, die Ende 2019 begann, waren Zehntausende Mitglieder-Datensätze missbraucht worden, um Stimmung für die letztlich erfolgte Ausgliederung der Profiabteilung zu machen. Diese Affäre kostete schließlich sechs Angestellte und Funktionäre ihren Posten.

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