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Wohnungsangebot auch ohne Fusion

Deutsche Wohnen und Vonovia wollen trotz gescheiterter Übernahme Bestände an Berlin abgeben

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 5 Min.
Seit Montag ist es offiziell: Die geplante Übernahme der Deutsche Wohnen durch Vonovia ist auch im dritten Anlauf gescheitert. Deutschlands größter Wohnungskonzern konnte sich nur 47,62 Prozent des Grundkapitals und der Stimmrechte von der Nummer zwei, der Deutsche Wohnen, sichern. Ein Mindestanteil von 50 Prozent als Bedingung wurde in das Ende Mai öffentlich gemachte Übernahmeangebot geschrieben. Bereits am Freitag hatte Vonovia verkündet, dass das Ziel wahrscheinlich verfehlt werde.

»Das Aus für die Fusion ist erstmal eine gute Nachricht«, sagt Tobias Schulze zu »nd«. Der stellvertretende Landesvorsitzende der Berliner Linken ist auch Mitglied des Abgeordnetenhauses. »Die entstehende Marktmacht wäre ein Riesenschaden gewesen«, so Schulze weiter. Der so entstehende größte Wohnungskonzern Europas hätte über rund 15 Prozent aller Mietwohnungen in Berlin verfügt. Mietervertreter hatten vor allem vor der großen regionalen Macht in einigen Berliner Bezirken gewarnt. Das Bundeskartellamt sah in dem möglichen Zusammenschluss allerdings kein Problem.

Keine Auswirkungen soll das jedoch auf den bei einem Pressetermin im Roten Rathaus mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller und Finanzsenator Matthias Kollatz (beide SPD) verkündeten Verkauf von rund 20.000 Wohnungen aus den Beständen der beiden Konzerne haben. »Das Angebot steht weiterhin. Die Gespräche mit dem Land Berlin werden weitergeführt«, erklärt eine Sprecherin von Deutsche Wohnen auf nd-Anfrage.
»Alle unsere Zusagen halten wir ein«, kündigt auch Vonovia-Sprecherin Nina Henckel auf nd-Anfrage an. Das beziehe sich auf die mögliche Abgabe von Wohnungsbeständen an das Land Berlin, die angekündigten Wohnungs-Neubauten sowie die Begrenzung der Mieterhöhungen in Bestandsverträgen auf ein Prozent pro Jahr bis 2026. Die Gespräche mit dem Senat liefen weiter.

»Wenn die Zusagen eingehalten werden sollten, kann man das auch nur begrüßen«, sagt Linke-Landes-Vize Tobias Schulze. »Die Frage ist allerdings, welche Zugeständnisse Berlin dafür machen muss.«

Mit solchen Bedenken hält man sich bei der CDU nicht auf. »Nach dem Aus für den Zusammenschluss von Vonovia und Deutsche Wohnen muss Berlin jetzt die Vorteile für die Mieterinnen und Mieter sichern, die bei dieser Fusion in Aussicht gestellt worden waren. Wir erwarten, dass der Senat mit beiden Unternehmen schnellstmöglich Gespräche aufnimmt«, erklärt Christian Gräff, Sprecher für Bauen und Wohnen der CDU-Abgeordnetenhausfraktion.

Gerade der geplante Ankauf der rund 20.000 Wohnungen durch landeseigene Wohnungsbaugesellschaften stieß auf große Bedenken bei Mieterinitiativen und den SPD-Koalitionspartnern Linke und Grüne. »Die Rekommunalisierung des Regierenden Bürgermeisters und des Finanzsenators ist von den Launen des Marktes und dem Wohlwollen der Dax-Vorstände abhängig. Der Kaufpreis ist bis heute ein Geheimnis«, sagt Ralf Hoffrogge vom Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen, über den parallel zu den Wahlen am 26. September abgestimmt wird. »Es wird Zeit umzudenken. Die Vergesellschaftung bringt zehnmal so viele Wohnungen in öffentlichen Bestand – und das günstiger«, unterstreicht Hoffrogge.

Es sei »gut für Berlin«, wenn die Konzerne 20.000 Wohnungen in etwa für den Ertragswert an das Land verkaufen würden, erklärt Finanzsenator Matthias Kollatz auf nd-Anfrage. »Dass beide Unternehmen signalisiert haben, an den Gesprächen über den Verkauf festzuhalten, begrüße ich«, so Kollatz weiter.

»Unsere Skepsis bleibt erhalten. Wir wollen keinen bedingungslosen Ankauf«, sagt Katrin Schmidberger zu »nd«. Sie ist Sprecherin für Wohnen und Mieten der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Der Erwerb sei nur auf Basis eines »sozial verträglichen« Preises möglich, der »Mängel wie Asbest und langjähriger Instandhaltungsstau« berücksichtige. »Ich denke, dass die SPD sich verkalkuliert, weil auch mit dem Deal der Druck auf den Wohnungsmarkt nicht verschwinden wird«, so Schmidberger.

Tobias Schulze von der Linken begrüßt es, dass »wir nun die Möglichkeit haben, einen Ankauf unabhängig von einem Übernahmetermin der Deutsche Wohnen zu prüfen«. Der Prozess müsse auch transparent unter Einbeziehung des Parlaments vonstatten gehen, fordert er. »Trotz der Prüfung des Ankaufs bleiben wir bei der Unterstützung des Volksentscheids Deutsche Wohnen & Co enteignen«, versichert Schulze. Die Vergesellschaftung sei schließlich Bestandteil des wohnungspolitischen Konzepts der Linkspartei.

Die Sozialisierungsinitiative kritisiert derweil die vom Senat in der vergangenen Woche beschlossene Stellungsnahme zum anstehenden Volksentscheid. Dort werden von Senatsseite zu erwartende Kosten von 29 bis 39 Milliarden Euro für die Vergesellschaftung von 226 000 Wohnungen genannt. »Das ist dreiste Desinformation. Es ist völlig unklar, wie der Senat auf seine Entschädigungssummen kommt«, schimpft Moheb Shafaqyar, Sprecher von Deutsche Wohnen & Co enteignen. Die Initiative prüfe, ob eine Verletzung des Sachlichkeitsgebotes bei der Informationshandlung durch ein staatliches Organ vorliegt. In diesem Fall müsste die Landeswahlleitung erwägen, diese Information nicht zu verschicken, so der Jurist Shafaqyar. Die Initiative geht von 7,3 bis 13,7 Milliarden Euro Entschädigung aus.

Der Senat halte »eine Entschädigung unterhalb des Verkehrswertes weiterhin für eine Option, die nach einem Zustandekommen des Volksentscheids, im Zuge des dann zu erfolgenden Gesetzgebungsverfahrens zu berücksichtigen ist«, heißt es auf nd-Anfrage von der Stadtentwicklungsverwaltung.

»Dass die Logik der alten Senatsstellungnahme von 2019 beibehalten wurde, ist nicht überraschend. Sie war schon damals unglücklich und bleibt es bis jetzt«, kommentiert das Tobias Schulze. Die Linke sehe eine Entschädigung deutlich unter dem Marktwert. »Für uns ist klar, dass man mit einer Zustimmung weder die Stadt und die Wohnungsunternehmen in Schwierigkeiten bringt«, so Schulze. »Für die Umsetzung wird es wichtig sein, dass die Linke Teil der Regierung ist«, sagt der Linke-Politiker.

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