Meine beiden Männer, unsere Ehe und die vielen Meinungen

Natalie Fink lebt seit fünf Jahren in einer polyamoren Beziehung. Neben viel Unverständnis erlebt sie auch Hass und Beleidigungen.

  • Natalie Fink
  • Lesedauer: 5 Min.

Ich kann mir Polyamorie schon vorstellen seit ich denken kann. Meine Barbies und Playmobilmännchen lebten früher in allerhand queeren Beziehungsmodellen und zogen ihre Kinder in Patchwork-Systemen groß. Damals hatte ich noch keine Sprache für diese Vorstellungen, doch eines war mir in meiner kindlichen Naivität bereits bewusst: Liebe kann verschiedene Formen annehmen.

Diese Tatsache musste ich zwischendurch jedoch erst durch Bücher, Filme und den Mainstream verlernen und dann wieder ganz neu lernen. Zwischen der 7-Jährigen von damals und der 25-Jährigen von heute liegt eine lange innere Reise. Meine Entwicklung zur Polyamorie war eine Entdeckungsreise, die mich durch Erfolge und Fehlschläge, durch gebrochene Herzen, beendete Freundschaften und schließlich wieder zu mir selbst führte. Und auch, wenn ich mir in vielen Facetten meiner jungen Identität noch nicht sicher bin, so bin ich mir beim Thema Liebe umso sicherer. Ich bin Natalie, arbeite als freiberufliche Texterin und Künstlerin und ich liebe zwei Männer.

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Ich führe eine klassisch-romantische Beziehung zu beiden Männern. Dazu gehört Freude, Streit, Sexualität, Diskussionen und manchmal Eifersucht. Die Beziehung zwischen meinen Partnern ist schwer zu beschreiben, denn es fehlt der Begriff für heterosexuelle Männer, die liebevoll miteinander leben, eine gemeinsame Familie gründen und fast alle Merkmale einer Partnerschaft erfüllen. Denn das ist es, was sie haben: eine Partnerschaft. Sie basiert nicht auf Sexualität oder regelmäßiger Zärtlichkeit. Sie basiert auf Fürsorge, Verantwortung, gemeinsamen Plänen und platonischer Liebe.

Durch unsere ungewöhnliche Partnerschaft müssen wir vieles neu ausloten, was für andere selbstverständlich ist: Wie verteilen wir die Care-Arbeit? Wie stellen wir uns bei Nachbarn vor? Dürfen wir Kinder bekommen und wenn ja, wie kann das funktionieren? Wer schläft heute wo?

Unsere Beziehung zu Dritt begann 2016 nach einigen meiner schiefgegangenen Erkundungs-Experimente der freien Liebe. Ich war schon ein paar Jahre mit Yannick zusammen. Unsere Beziehung war innig, wir spürten keinen Mangel, doch auch keinen natürlichen Exklusivitätsanspruch. Durch unsere Vorstellungen war uns beiden klar, dass Monogamie für uns eher uninteressant ist und, dass wir gemeinschaftlicher leben wollen.

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In unserem Freundeskreis vertiefte sich die Freundschaft zu Michael, mit dem wir uns beide gut verstanden. Michael ist ein sehr ungewöhnlicher und neugieriger Mensch, der unsere speziellen Vorstellungen von Beziehung bereits kannte. Als wir beide uns verliebten, störte er sich nicht an der Paarbeziehung von Yannick und mir. Zwar führte er gerade am Anfang einige orientierende Gespräche mit seinem neuen »Konkurrenten« Yannick, doch fügte er sich organisch und interessiert in unser Leben ein. Die beiden Männer teilen viele gemeinsame Interessen, ihre Liebe zum Sport und arbeiteten später sogar im gleichen Beruf. Deswegen dauerte es damals nicht lange, bis Michael praktisch bei uns wohnte. Und im Laufe der Zeit wuchsen wir immer mehr zusammen.

Was als jugendliches Experiment begonnen hat, wurde gemeinsam mit uns erwachsen. Jetzt, fünf Jahre später, nach drei gemeinsamen Wohnungen, etlichen Abschlüssen und einer Pandemie leben wir immer noch zusammen und haben nicht vor, etwas daran zu ändern. Zwei von Drei sind mittlerweile standesamtlich verheiratet.

Polygamie, also die Rechtsform der Ehe zwischen mehr als zwei Menschen, ist in Deutschland nicht erlaubt. Das ist für uns persönlich zwar schade, doch es gibt andere Wege, einander als Familie abzusichern. Wir sprechen nur selten darüber, wer mit wem legal verheiratet ist. Denn auch, wenn es für uns drei keine Bedeutung hat, die jenseits von finanziellen und versicherungstechnischen Fragen liegt, so hat es für alle anderen eine Bedeutung. Und die sind unser größtes Problem. Die anderen.

Manchmal habe ich den Eindruck, die Infragestellung von Monogamie kommt Gotteslästerung gleich. Denn in einer zunehmend säkularen Welt ist die Vorstellung der großen Liebe, der perfekten Familie und der unendlichen Treue das letzte, was vielen Menschen als Glaubenssatz bleibt. Und Filme, Serien und Liebeslieder setzen ihr Bestes daran, diesen Glaubenssatz zu vermarkten und die Monogamie als normal, ideal und funktionierend zu inszenieren. Das ist auch in Ordnung. Problematisch wird es erst, wenn Menschen wie wir darunter leiden - und das passiert oft.

Es fängt damit an, dass wir drei an keinen neuen Ort kommen können, ohne unsere gesamte, intime Lebensgeschichte zu erzählen und noch einige übergriffige Fragen zu beantworten. Natürlich könnten wir einfach lügen und uns monogam lesen lassen, doch das würde sich wie ein Verrat an der dritten Person anfühlen. Also rechtfertigen wir uns, entschuldigen uns, machen uns klein und relativieren.

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Oft habe ich mit sexualisierten Fragen, Fantasien und Bemerkungen zu kämpfen. Ich kenne eine Person seit einer Viertelstunde und sie fragt mich nach Sexualpraktiken, die ich erst googlen muss, nach Häufigkeit, nach Verhütung und bietet nicht selten ihre Teilnahme an. Menschlich werde ich oft als Nymphomanin und unendlich promiske Person betrachtet, mit der man alles machen kann. Das ist doppelt schade. Einerseits ist es übergriffig, andererseits reduziert es unser Leben auf Sexualität.

Auch mit Hass und Abwertung haben wir viel zu kämpfen. Die Männer seien keine richtigen Männer sondern Schwächlinge, meine Liebe sei keine richtige Liebe sondern Egoismus, unsere Beziehung würde bald scheitern, wir werden schon sehen, und so weiter. Ich bekomme wöchentlich psychische Diagnosen von fremden Internetusern und werde als krank, verbraucht und schmutzig betrachtet. In den vergangenen fünf Jahren habe ich so ziemlich alles gehört und gelesen, was man schlechtes über Polyamorie sagen kann.

Aber das ist mir egal. Kein Kommentar hat mich von meiner Familie abrücken lassen. Unsere Zukunft geht doch gerade erst los. Und so anders als unsere monogamen Freunde sind wir gar nicht. Wir sind einfach nur zu Dritt.

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