Wund(er)heilung

Biolumne

  • Iris Rapoport
  • Lesedauer: 3 Min.

Fast grenzt es tatsächlich an Wunder, was beim Heilen jeder Wunde geschieht. Gerade noch hat es getropft und bald hat brauner Schorf die Wunde verschlossen. Schon wandern wachsame Fresszellen in das Wundgebiet ein und räumen dort auf. Vor allem sind es die sogenannten neutrophilen Granulozyten, die dort emsig Gewebstrümmer abbauen und eingedrungenen Bakterien vernichten. Sie gehören zu den weißen Blutzellen und sind Teil unseres angeborenen Immunsystems. Ihr Wirken ist meist von Rötung, Erwärmung, Schwellung und Schmerz begleitet. Anders gesagt, von einer Entzündung. Eiternde Wunden zeugen von besonders heftigen Kämpfen dieser Fresszellen gegen Krankheitserreger. Was uns so gelb entgegen quillt, sind die Überreste der in solch einer Schlacht zugrunde gegangenen Zellen. All das ist nicht gerade angenehm, aber für die Heilung absolut notwendig.

Deren weiterer Verlauf erfordert die konzertierte Aktion verschiedenster Zellen. Noch während die Fresszellen ihre Arbeit verrichten, beginnen Fibroblasten aus dem umgebenden Bindegewebe in das Wundgebiet einzuwandern. Das Signal dazu geben Makrophagen, die auch zu den Zellen der angeborenen Immunantwort gehören.

Die Fibroblasten hangeln sich vorsichtig vom Wundrand her an jenen Fibrinfasern entlang, die die Wunde zusammenklammern und den Schorf stabilisieren. Immer mehr sammeln sich an. Nach einer Woche überwiegt ihre Zahl die der Fresszellen. Langsam füllen die Fibroblasten von den Rändern her die Wundlücke mit Kollagen und viel Hyaluronsäure auf. Was dabei unter dem Schorf entsteht, wird Granulationsgewebe genannt. Zu dessen Synthese verbrauchen die Fibroblasten viel Nährstoffe und Sauerstoff. Darum muss das Einsprießen neuer Adern in die Wunde mit der Heilung unbedingt Schritt halten. Verantwortlich dafür sind die Stammzellen der angrenzenden Blutgefäße.

Erst wenn die Fibroblasten ihren Granulations-Gewebsteppich ausgerollt haben, wagen sich auch Keratinozyten herbei. Sie bilden die neue oberste Hautschicht. Auch die Keratinozyten nutzen die Fibrinfäden für ihre Wanderung. Ungestüm krabbeln sie dabei schließlich übereinander und bilden eine Barriere zwischen Wunde und Schorf.

Nun ist dieser zwar lebensrettende, doch zu grobe Wundverschluss im Wege. Für die weitere Heilung muss er entfernt werden. Wieder bestimmt, wie bei seiner Bildung, eine Protease das Geschehen. Auch dieses Enzym, Plasmin genannt, wird als inaktive Vorstufe von der Leber gebildet. Schon während der Gerinnung heftet es sich an die Fibrinfäden an. So kann es genau dort, wo es wirken soll, aktiviert werden. Indem das Plasmin die Fäden des Fibrinnetzes spaltet, lockert sich der Schorf und fällt zu guter Letzt ab.

Das unter der Haut liegende Granulationsgewebe wandelt sich um und bildet Narbengewebe. Frische Narben können rot und wulstartig sein. Nach der Umbildung, die bis zu einem Jahr dauern kann, sind sie im Idealfall flach, blass und weich. Doch da Narbengewebe kein Elastin enthält, erreicht es nie die Elastizität und Festigkeit der normalen Haut. Auch Haare und Schweißdrüsen sucht man vergebens. Überdies fehlen Pigmentzellen und deshalb wird eine Narbe von der Sonne auch nicht gebräunt. Da stößt das Wunder der Heilung doch an seine Grenzen.

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