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Die Grenzen des Pluralismus
Spitzenpolitiker der Linken binden Sahra Wagenknecht im Wahlkampf ein. Andere wollen eine Debatte über ihre Thesen zur Krise der Linken
Im Bundestagswahlkampf setzt sich bei einigen Spitzenpolitikern der Linken die Erkenntnis durch, dass man zumindest in dieser Zeit Streitigkeiten beiseitelässt. So ist am kommenden Mittwoch ein gemeinsamer Auftritt der Parteivorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow mit Sahra Wagenknecht, die einst die Bundestagsfraktion anführte, und ihrem Ehemann Oskar Lafontaine geplant. Letztgenannter ist Fraktionschef im saarländischen Landtag. Die Einladung ging nach Angaben der Linkspartei von Hennig-Wellsow aus. Die Abendveranstaltung wird auf dem Unesco Platz im thüringischen Weimar stattfinden. Hennig-Wellsow hat viele Jahre Landespolitik gemacht und ist nun Spitzenkandidatin in Thüringen sowie Direktkandidatin in Weimar, Erfurt und dem Grammetal.
Vorab erklärte Hennig-Wellsow, dass die Linke »die Bundestagswahl zur Abstimmung über den Sozialstaat der Zukunft« machen wolle. »Deshalb kämpfe ich für einen sozialen Politikwechsel und ein Ende der leeren Versprechungen.« Sie freue sich dabei »über die Unterstützung von Sahra und Oskar«. »Gemeinsam streiten wir für eine soziale Politik für die Mehrheit der Gesellschaft in unserem Land. Darum geht es jetzt in den verbleibenden Wochen bis zur Bundestagswahl«, so Hennig-Wellsow.
Die Parteichefin hatte zuletzt deutlich gemacht, dass sie die Antworten, die Wagenknecht in ihrem Buch »Die Selbstgerechten« zur Krise der Linken liefert, nicht teile. Allerdings hält Hennig-Wellsow zugleich einen Parteiausschluss der Bundestagsabgeordneten, den einige in der Linken fordern, für falsch. Hennig-Wellsow meint, dass man Pluralität in der Partei aushalten müsse.
Allerdings schwelt der interne Konflikt weiter. Der frühere Parteichef Bernd Riexinger hat eine umfassende Replik auf Wagenknechts Thesen geschrieben. Er warf ihr in der Zeitschrift »Luxemburg« vor, ein »Gegenprogramm« zu dem der Linken aufgeschrieben zu haben. Wagenknecht verzichte auf eine ernsthafte Klassenanalyse und verschiebe »die zentrale gesellschaftliche Konfliktachse von der sozialen Klassenfrage und der Frage nach der Stärkung von Solidarität in einer fragmentierten Klassengesellschaft hin zu einem vermeintlichen Kulturkampf der Mittelschichten«.
Kritik vom früheren Parteichef Riexinger
Zudem meint Riexinger, dass Wagenknecht als zentrale Ursache für die jahrzehntelange Prekarisierung der Arbeits- und Lebenswelten nicht in erster Linie die neoliberale Agenda-Politik und die damit verbundene Kapitaloffensive gegen die Gewerkschaften sehe. Politisch im Mittelpunkt stehe bei ihr vielmehr eine »ungeregelte Zuwanderung« als angebliche Ursache für mangelnden gesellschaftlichen Zusammenhalt und fehlende Solidarität. Wagenknecht sei eine Anhängerin des Ordoliberalismus. »Sie propagiert die Illusion einer ›Marktwirtschaft ohne Konzerne‹, die sich durch eine De-Globalisierung, die Stärkung von inhabergeführten Familienbetrieben sowie durch den Ausbau des nationalen Sozialstaats alten Typs auszeichne – selbstverständlich bei Wahrung strenger Grenzkontrollen und begrenzter Zuwanderung«, so Riexinger.
In seiner Zeit als Parteichef hatte Riexinger Kritik an der von Wagenknecht initiierten linken Sammlungsbewegung Aufstehen geübt. Er warnte seine Genossin davor, eine Konkurrenz zur eigenen Partei aufzubauen. Inzwischen gilt das Projekt als gescheitert.
In ihrem Landesverband genießt Wagenknecht ausreichend Rückhalt, um als nordrhein-westfälische Spitzenkandidatin bei der Bundestagswahl ins Rennen zu gehen. Wenn die Linke am 26. September erneut in den Bundestag einziehen sollte, könnte aber der Rückhalt für Wagenknecht in der Fraktion schwinden. Der Finanzpolitiker Fabio De Masi, ein langjähriger Vertrauter Wagenknechts, tritt nicht noch einmal an. Diether Dehm, der ebenfalls dem Lager um Wagenknecht zuzurechnen ist, hat auf der niedersächsischen Landesliste einen wenig aussichtsreichen Platz ergattert.
Fraktionschef Dietmar Bartsch hat kürzlich seine Verbundenheit mit Wagenknecht deutlich gemacht und einen gemeinsamen Gastbeitrag mit ihr für die Website von T-Online verfasst. Darin prangern sie eine »überproportionale Belastung« von Menschen an, die mittlere oder geringe Einkommen beziehen. Sie kritisieren die derzeitige Steuerpolitik, steigende Mieten und Energiepreise und Lohnungerechtigkeit.
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