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Regelschule für alle

Als mit den coronabedingten Schulschließungen auch die Assistenz für Kinder mit Behinderung wegfiel, wurde deutlich, wie wichtig deren Inklusion an Regelschulen ist

  • Daniel Horneber
  • Lesedauer: 3 Min.

In vielen Bundesländern hat die Schule nach den Sommerferien bereits wieder begonnen. Nach Distanz- und Wechselunterricht startet das neue Schuljahr zwar wieder mit Präsenz, doch nicht zuletzt dank mangelhafter bis fehlender Corona-Konzepte und Virus-Mutationen sind erneute Schulschließungen nicht unwahrscheinlich. Dabei haben die Schulschließungen vor allem eins gezeigt: dass an Inklusion kein Weg vorbeiführt.

Denn die Schließungen und der Distanzunterricht trafen Schüler*innen, die auf Schulassistenz angewiesen sind, besonders hart. Schulassistent*innen vermitteln keinen Stoff, sollen aber bei der Bewältigung des Schulalltags unterstützen, etwa durch das Anreichen von Stiften, die Hilfe beim Schreiben oder auch pflegerische Tätigkeiten. Diese Form der Unterstützung fiel zunächst komplett weg. Die zuständigen Gemeinden beriefen sich darauf, dass die Assistenz nur in der Schule zur Verfügung stehen könne. Nur nach und nach ließen sich Jugendämter darauf ein, Assistent*innen auch zu den Schüler*innen nach Hause zu schicken. Mittlerweile ist immerhin klar, dass ein Rechtsanspruch auf Schulassistenz besteht.

Aber noch immer gibt es keine bundesweiten Lösungen für den Umgang mit der Schulassistenz unter coronabedingten Einschränkungen. Stattdessen haben die Jugendämter individuelle Modelle zur Umsetzung und Finanzierung der Schulbegleitungen gefunden. Auf allen Seiten herrscht bis heute hohe Planungs- und Handlungsunsicherheit. Die Konsequenz: Eltern von Schüler*innen mit Assistenzbedarf mussten im ersten Lockdown die Assistenz oft selbst übernehmen. Homeoffice war so nicht mehr möglich.

Während behinderte Kinder, die auf Regelschulen gehen, ohne die gewohnte Assistenz im Homeschooling aufgeschmissen waren, waren Kinder, die auf Sonderschulen gehen müssen, und ihre Eltern ganz auf sich allein gestellt. Denn der dortige Unterricht konnte kaum ins Homeschooling verlagert werden. Während sich Regelschulen halbwegs für das Homeschooling rüsteten, waren Unterlagen und Aufgaben für die Schüler*innen von Sonderschulen kaum vorhanden.

Umso skandalöser ist es, dass man es in Berlin Schüler*innen an Sonderschulen untersagt hat, das Schuljahr freiwillig zu wiederholen. Für sie sei keine Wiederholung der Jahrgangsstufe möglich, »weil die Schule nicht in Jahrgangsstufen organisiert ist«, lautete die Begründung der Senatsverwaltung für Bildung im März. Stattdessen müssen die Schüler*innen nach der Sonderpädagogikverordnung entsprechend ihres Alters eine Klassenstufe weiter aufrücken. Gleichzeitig hatte man Schüler*innen an Regelschulen jedoch eine freiwillige Wiederholung des Schuljahrs erlaubt - um eventuelle Lernrückstände nachholen zu können. Dieser Vorgang stellt eine Diskriminierung dar und zeigt einmal mehr, dass Sandra Scheeres (SPD) der Aufgabe als Bildungssenatorin und der damit verbunden Entwicklung einer inklusiven Schule nicht gewachsen ist.

Doch ganz entschieden ist die Sache noch nicht. Denn das Berliner Verwaltungsgericht hat vergangene Woche der Klage einer Schülerin mit Trisomie 21 stattgegeben. Ihr Antrag auf Wiederholung ihres Abschlussschuljahrs war von der Schulbehörde zunächst abgelehnt, nun aber - vorläufig - wieder stattgegeben worden.

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Einen positiven Lerneffekt hingegen hatte der Corona-Unterricht. Die Hybridphasen, in denen die Hälfte der Klasse Zuhause und die andere Hälfte in der Schule lernte, haben gezeigt, welchen Vorteil kleinere Klassen haben.

Darauf weißt auch die Kampagne »Schule muss anders« hin: »Berlin verwaltet Mangel. Seit Jahren fehlen Lehrkräfte, Erzieher*innen und Sozialarbeiter*innen an den Schulen. Die Senatsbildungsverwaltung stopft Löcher, anstatt grundlegend umzusteuern«, so die Kritik. »Schule muss anders - und zwar jetzt!«, fordert die Kampagne. »Mit mehr Zeit für alle Kinder und mehr Personal, mit neuen Berufsgruppen, ohne Diskriminierung und mit Teilhabe für alle Schüler*innen.« Diesen Forderungen schließe ich mich an.

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