Soldaten für den Frieden

Beim Strausberger Friedensfest kommen junge und alte Kriegsgegner zusammen

Als Andreas Steinert aus Bad Freienwalde Weihnachten 2019 im Fernsehen sah, wie geflüchtete Mütter mit Babys ohne Dach über dem Kopf leben müssen, rief er die Initiative »Wir packen’s an« ins Leben. Im Februar 2020 gründeten neun Leute einen Verein, der Hilfslieferungen in griechische und bosnische Flüchtlingslager organisiert und inzwischen mehr als 100 Mitglieder zählt. Schatzmeister Axel Grafmanns ist gerade nach Bosnien gereist, wo Flüchtlinge an der Grenze zu Kroatien gestrandet sind. Dort grassiert die Krätze. »Fast jeder Geflüchtete ist davon betroffen«, berichtete Grafmanns. Die durch Parasiten hervorgerufene Hautkrankheit kann durch Hygiene vermieden werden. »Wir kaufen Waschmaschinen, Wäschesäcke, Krätzesalbe und bezahlen die Miete einer Waschküche«, erzählte der Helfer. Am 28. August ist Grafmanns beim Friedensfest der Linken in Strausberg-Nord (Märkisch-Oderland) zu Gast. Im Volkshaus an der Prötzeler Chaussee beteiligt er sich um 11 Uhr am traditionellen Friedenspolitischen Forum, das aber diesmal anders aufgezogen wird als üblich. Im vergangenen Jahr konnte übrigens pandemiebedingt statt des Friedensfests nur eine Menschenkette für den Frieden stattfinden.

Zur Vorgeschichte: 1991 gab es in Strausberg das erste Friedensfest – organisiert von ehemaligen Offizieren der Nationalen Volksarmee (NVA). Anlass war damals der zweite Golfkrieg, ausgelöst durch die Besetzung Kuwaits durch Irak, gegen die eine Koalition unter Führung von US-Truppen losschlug. »Kein Blut für Öl«, lautete damals die Parole der Kriegsgegner. Das zum Friedensfest gehörende Friedenspolitische Forum befasste sich seither mit strategischen und militärpolitischen Fragen, richtete sich anfangs nicht zuletzt an die vielen ehemaligen NVA-Offiziere, die noch in Strausberg lebten, weil sie hier im DDR-Ministerium für Nationale Verteidigung ihren Dienst verrichtet hatten.
Flucht vor dem Krieg

Einen alten Generaloberst gibt es noch, mehrere Generalleutnante und etliche Generalmajore. Einige alte NVA-Offiziere sind Mitglied der Linken und wirken bei der Vorbereitung des Friedensfestes mit. Viele sind aber inzwischen verstorben. Die Zeit scheint reif, die Ausrichtung des Friedensforums zu verändern. Diesmal werden die Folgen von Kriegen in den Blick genommen. Eine Folge ist, dass Menschen aus ihrer Heimat flüchten, die sich in ein Schlachtfeld verwandelt hat. Neben Elend und Unterdrückung gehört dies zu den häufigsten Fluchtursachen. Außer Grafmanns sprechen beim Forum Vertreter der Linkspartei: der sicherheitspolitische Referent der Bundestagsfraktion, Thomas Kachel, und der Landtagsabgeordnete Andreas Büttner sowie Landratskandidat Uwe Salzmann und der Kreisvorsitzende Niels-Olaf Lüders, der sich als Anwalt auf Asylrecht spezialisiert hat. Mit Lazare Mountapmbeme kommt auch ein Geflüchteter aus Kamerun zu Wort.

In den 1990er Jahren zählte das Strausberger Friedensfest Tausende Besucher. Heute, zumal unter den Bedingungen der Corona-Pandemie, müsste man mit 500 Gästen schon zufrieden sein, hieß es am Dienstag, als Kreisparteichef Lüders das Programm für den 28. August gemeinsam mit mehreren Genossen vorstellte. »Nur, weil wir hier in Frieden leben, ist die Welt nicht friedlich. Das ist ein Irrglaube«, sagte Lüders. »Man muss über den Tellerrand schauen.«

Für den 55-Jährigen, der bei der Bundestagswahl am 26. September antritt, ist die Friedenspolitik einer von vier Schwerpunkten seines Wahlkampfs. Bei einer ersten Diskussionsrunde mit seinen Mitbewerbern im Wahlkreis hat er jedoch festgestellt, dass es keine Frage zur Außenpolitik gegeben hat. Er selbst musste dieses Thema ansprechen, wie er erzählt – und verblüfft feststellen, dass die Bewerber der anderen Parteien sich plötzlich alle gegen Waffenexporte ausgesprochen haben. »Nur der von der FDP nicht. Der ist Bundeswehrsoldat.« Sicherlich sei es unter dem Eindruck der aktuellen Situation in Afghanistan zu der späten Einsicht gekommen, »dass Waffenexporte Mist sind«. Doch leider haben die Parteien der betreffenden Kandidaten im Bundestag bisher nichts getan, um Waffenlieferungen in Krisengebiete wirksam zu unterbinden, kritisierte Lüders.
Tino Eisbrenner singt Friedenslieder

Ein Höhepunkt des Friedensfests soll um 13 Uhr ein Konzert des Sängers und Songschreibers Tino Eisbrenner im Sommergarten des Volkshauses sein. Bekannt ist der Künstler immer noch mit dem Hit »Ich beobachte Dich« seiner Band Jessica aus dem Jahr 1985. Inzwischen tourt Eisbrenner mit seinem Programm »Das Lied vom Frieden«. Es gibt auch ein gleichnamiges Buch, das extra in deutscher und russischer Sprache erschienen ist. Zur Welt kam Eisbrenner 1962 in Rüdersdorf bei Berlin, nicht weit weg von Strausberg. Heute lebt er in Mecklenburg-Vorpommern und tritt dort bei der Landtagswahl am 26. September als Parteiloser für Die Linke an.

Zum Friedensfest erwartet werden auch Dagmar Enkelmann, Vorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung, und Kerstin Kaiser, die das Büro der Stiftung in Moskau leitet. Geplant sind Gesprächsrunden »Ein neues Klima braucht der Frieden« (14.30 Uhr) und »Frieden leben« (16 Uhr). Hierbei handelt es sich nicht um Podiumsdiskussionen, sondern um Gesprächskreise, bei denen sich die Besucher miteinander austauschen.
Eingebettet ist das Friedensfest in eine Friedenswoche, in deren Rahmen ein Hoffest in Seelow am 27. August und die Vorführung des Antikriegsfilms »Der neunte Tag« am 31. August in Letschin stattfinden.

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