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  • Rechtsextremismus in Thüringen

Hundert Nazis leben in Erfurt

In der Thüringer Landeshauptstadt gibt es nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden eine etablierte rechtsextreme Szene

  • Lesedauer: 3 Min.

Erfurt. Die Thüringer Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass sich in Erfurt in den vergangenen Jahren eine etablierte rechtsextreme Szene gebildet hat. In dieser Szene hätten sich im vergangenen Jahr einige Hundert Personen bewegt, heißt es in der Antwort des Thüringer Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linken-Landtagsabgeordneten Katharina König-Preuss. »Dem rechtsextremistischen Spektrum in der Stadt Erfurt wird eine Personenstärke im unteren dreistelligen Bereich zugeordnet.« Die Mehrzahl der Rechtsextremen in der Stadt seien Männer.

Auch in den Ortsteilräten von Stadtteilen im Südosten Erfurts - am Herrenberg, am Wiesenhügel und in Melchendorf - seien Mitglieder von rechtsextremen Gruppierungen aktiv.

Diese Einschätzung der Sicherheitsbehörden deckt sich auch mit Erkenntnissen von zivilgesellschaftlichen Gruppen wie beispielsweise der Opferberater von Ezra. Aus deren Statistiken wird deutlich, dass in keiner anderen kreisfreien Stadt beziehungsweise keinem anderen Landkreis Thüringens regelmäßig so viele mutmaßlich rechtsmotivierte Angriffe registriert werden wie in der Landeshauptstadt.

Für 2020 zählte Ezra in Erfurt 29 mutmaßlich rechtsmotivierte Angriffe, 2019 waren es 31 gewesen. Zum Vergleich: In Jena waren es 2020 insgesamt 13 solche Angriffe und in Gera und Suhl jeweils sechs. In allen anderen Kommunen zählte Ezra weniger solcher Vorkommnisse. Die Opferschützer von Ezra begleiten Menschen, die rechte oder rassistische Gewalt erfahren haben.

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Häufig wird vor allem der ländliche Raum Thüringens als Rückzugsort für Rechtsextreme beschrieben; das gilt besonders für weite Teile Südthüringens, nachdem es dort vor der Corona-Pandemie immer wieder große Rechtsrock-Konzerte gegeben hatte.

In der Antwort des Innenministeriums auf die Anfrage von König-Preuss heißt es, die Rechtsextremen in Erfurt hätten sich auch im Corona-Jahr 2020 nicht vor der Öffentlichkeit versteckt. Sie hätten etwa 20 Flugblattaktionen, Versammlungen, Gedenkaktionen und ähnliches organisiert und durchgeführt. Daran hätten bis zu etwa 300 Menschen teilgenommen. Bis zum Dezember 2020 hätten sie zudem über ein eigenes Clubhaus im Südosten der Stadt verfügt, das sie inzwischen aber verlassen mussten, nachdem ihnen der Mietvertrag gekündigt worden war.

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Vor dem Haus war es im August 2020 zu einem Überfall auf drei Männer auf Guinea gekommen, die dabei teilweise schwer verletzt wurden. Der Angriff auf die drei Männer ist nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft Erfurt fremdenfeindlich motiviert gewesen. Der Überfall hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst.

Aus der Antwort des Innenministeriums geht hervor, dass die Polizei im vergangenen Jahr etwa 150 mutmaßlich rechtsmotivierte Straftaten in Erfurt registriert hat. Darunter waren mehrere Körperverletzungen, Nötigungen und Bedrohungen. dpa/nd

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