Werbung
  • Politik
  • Internationale Automobilausstellung

Breites Protestbündnis will IAA blockieren

Verschiedene Gruppen rufen zum massenhaften zivilen Ungehorsam auf – Nichtregierungsorganisationen planen Gegenkongress und Großdemonstration

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 4 Min.

Klimaaktivisten und linke Gruppen mobilisieren mit Hochdruck für Proteste gegen die Internationale Automobilausstellung (IAA) in München. Das Bündnis »Sand im Getriebe« hatte am Montag auf einer Pressekonferenz seine Pläne für die kommenden Tage vorgestellt. Demnach sind für Donnerstag verschiedene Aktionstrainings vorgesehen. Am Freitag soll dann unter dem Motto »#blockIAA – Autokonzerne entmachten, Klima schützen« die Messe von Tausenden Menschen blockiert werden. Man werde den reibungslosen Ablauf durch eine Aktion des massenhaften zivilen Ungehorsams verhindern, hieß es seitens der Organisatoren. Am Samstag sind wiederum die Demonstration eines breiten Bündnisses sowie eine Radsternenfahrt durch München geplant.

»Mit immer mehr Autos lässt die Autoindustrie die Klimakrise eskalieren«, begründete Lola Löwenzahn, die Sprecherin von Sand im Getriebe, die Proteste. Bei der IAA wollten die »dreckigen Autokonzerne« mit »protzigen E-Autos eine grüne Lüge verkaufen«, führte sie aus. Als Bündnis stelle man sich jedoch dem »zerstörerischen System Auto« entgegen und kämpfe für eine radikale Verkehrswende. »Wir sorgen selbst dafür, dass das Kapitel Automesse ein für alle Mal beendet wird«, so Löwenzahn.

An den Protesten beteiligen sich neben »Sand im Getriebe« auch das bundesweite kommunistische »... ums Ganze!«-Bündnis sowie die Initiative »No Future for IAA«, ein Zusammenschluss antikapitalistischer Gruppen aus der Region. »Die IAA ist das Symbol des deutschen Autokapitalismus – für ihre Profite beuten die deutschen Autokonzerne Menschen und Natur aus«, sagte Liv Roth, Pressesprecherin von »... ums Ganze!«. Die E-Autos seien dabei Teil des Problems, es brauche keine neue Antriebsart. »Wir müssen den Autokapitalismus überwinden und Mobilität als Gesellschaft neu verhandeln«, so Liv Roth. »Unser Protest zielt nicht auf einzelne Autofahrer – wir kritisieren strukturelle Verhältnisse«, ergänzte Lou Schmitz, Pressesprecherin für »No Future for IAA«. Im Autoland Deutschland sei alles auf das Auto ausgerichtet. Dies habe jedoch ein sozial ungerechtes und klimafeindliches System geschaffen. Es brauche stattdessen ein Konzept mit weniger Autos, mehr Radwegen und mit kostenlosem öffentlichen Personennahverkehr.

Für die Großdemonstration sowie die Radsternfahrt am Samstag ruft das Aktionsbündnis »#aussteigen« auf. Hier beteiligen sich unter anderem der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Campact, Greenpeace, die NaturFreunde Deutschlands sowie das globalisierungskritische Netzwerk Attac. Die Auftaktkundgebung beginnt am Samstag um 12 Uhr auf der Theresienwiese. Mit dem Demonstrationszug durch die Innenstadt sollen die Teilnehmer ab 13 Uhr in einer großen Schleife den Hauptbahnhof umrunden. Die Fahrraddemo will sich aus allen Himmelsrichtungen, streckenweise über Autobahnen, Bundesstraßen und den Mittleren Ring, sternförmig auf München zubewegen. Die Demonstrationen enden mit einer gemeinsamen Abschlusskundgebung ab etwa 15 Uhr wieder auf der Theresienwiese.

Gegen das Verbot, bei der Radsternfahrt Autobahnabschnitte zu nutzen, läuft derzeit noch eine Klage beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Am Freitag kündigte die Stadt zudem an, dass sie geplante Routen der Radsternfahrt komplett verbieten, verlegen oder verkürzen will. Auch dagegen will das Bündnis notfalls juristisch vorgehen.

Für die Proteste wird zum Teil bundesweit mobilisiert. Aus mehreren Städten soll es gemeinsame Anreisen mit Bussen oder Zügen geben. Das geplante Aktivistencamp auf der Theresienwiese hat derzeit jedoch noch mit behördlichen Auflagen zu kämpfen. Das Kreisverwaltungsreferat hatte nicht genehmigt, dass die Teilnehmer am »Mobiliätswendecamp« auf Spendenbasis mit veganem Essen versorgt werden können und Zirkuszelte für Bildungsveranstaltungen aufgebaut werden dürfen. Die Auflagen sollen laut Medienberichten nur die Essensversorgung eines Organisationsteams von 150 Menschen ermöglichen. Die Aktivisten erklärten, dagegen vorgehen zu wollen. Beim Verwaltungsgericht München sind nach eigener Aussage noch am Sonntag ein Eilantrag und eine Klage eingegangen.

Derweil ist für Donnerstag und Freitag auch ein inhaltliches Alternativprogramm geplant. Der Kongress für transformative Mobilität – kurz KonTra IAA – erwartet laut den Veranstaltern in München mehrere Hundert Teilnehmer. Veranstaltungsorte sind das Kulturzentrum Feierwerk sowie das Eine-Welt-Haus. Schwerpunktmäßig soll es um die Themen »Neue Wege in Stadt und Land«, »Von der Auto- zur Mobilitätsindustrie« sowie »Perspektiven der Mobilitätswendebewegung« gehen. »Die Notwendigkeit einer Verkehrswende wird von vielen Menschen eingesehen«, erklärte Achim Heier vom Trägerkreis des Kongresses. »Aber wir kriegen wir die Autos von der Straße? Wie komme ich von Dorf A nach Dorf B? Wie sieht die Stadt der Zukunft aus? Darüber werden wir auf dem Kongress für Interaktive Mobilität zwei Tage debattieren«, so Heier.

In acht Podien und Foren sowie über 30 Workshops sollen mehr als 60 Referenten aus Umweltverbänden, Gewerkschaften, Wissenschaft und Initiativen aus der Mobilitätswende- und Klimagerechtigkeitsbewegung sprechen. Zum Trägerkreis des KonTra IAA gehören etwa Attac, die Initiative »Autofrei leben!« sowie die Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Bei der letzten IAA vor zwei Jahren in Frankfurt am Main hatten Aktivisten unter anderem stundenlang den Haupteingang blockiert. Die Münchener Polizei rechnet mit ihrem größten Einsatz seit 20 Jahren, 4500 Beamte sollen die Messe absichern.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!