• Kommentare
  • Verhältnis zwischen der EU und Polen

Die Angst vor einem Unfall

Stephan Fischer zu fortgesetzten »Polexit«-Diskussionen

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 2 Min.
Seit Monaten zieht sich der aktuelle Konflikt zwischen Polen und der EU um die Justiz wie Kaugummi. Die Rechtsregierung unter Führung der PiS hat sich in eine Situation manövriert, aus der sie schwerlich herauskommt. Dabei wächst jedoch die Gefahr eines außenpolitischen Unfalls aus innenpolitischen Motiven wie jener des Brexits. Zur Erinnerung: Das Referendum hatte David Cameron 2013 versprochen, um wiedergewählt zu werden.

Das polnische Verfassungsgericht vertagt seit Monaten seine Antwort auf die von Premier Morawiecki im Frühjahr gestellte Frage, wie sich EU-Recht zur polnischen Verfassung verhält. Das ist auch kein Wunder – jede Antwort hat schlechte Konsequenzen. Entscheidet sich das im PiS-Sinne agierende Rechtsorgan für den Vorrang der polnischen Verfassung, ist der Rechtsrahmen mit der EU gesprengt. Entscheidet es sich für den Vorrang des EU-Rechts, liegt das Narrativ von der nationalen Souveränität in Trümmern. Also wird vertagt und vertagt – es ist offenbar, dass die Frage selbst der politische Zweck war, um Stärke gegenüber Brüssel zu demonstrieren: Die Antwort oder überhaupt eine Antwort war gar nicht erbeten.

Doch nun steht die Frage im Raum und der Konflikt eskaliert, weil akut Sanktionen und finanzielle Konsequenzen in Milliardenhöhe drohen. Die Rechtsregierung ist auf die Milliarden aus EU-Töpfen angewiesen, auch um jene Sozialleistungen zu finanzieren, die sie bei Wählern jenseits eines rechten Kerns erfolgreich gemacht hat. Zugleich ist das Narrativ der unbedingten polnischen Souveränität konstitutiv für sie. Ein Kompromiss aus beiden wäre Realpolitik. Es droht aber angesichts der Sackgasse eher die Gefahr eines politischen Stunts à la Cameron. Damals konnte sich kaum jemand vorstellen, dass Großbritannien wirklich aus der EU austritt, so wie sich das heute bei Polen kaum jemand vorstellen kann. Äußerungen zu einem »Polexit« und die Warnungen davor werden lauter: Nicht, dass es zu etwas kommt, was hinterher niemand wollte.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal