Von Spruchbändern, Aufklebern und Parolen

Mietrecht und freie Meinungsäußerung

  • Lesedauer: 6 Min.

Bringen die Mieter an ihrem Balkon ein Transparent mit der Aufschrift »Wir lassen uns nicht Lxussanieren!« an, so kann der Vermieter dessen Beseitigung nicht verlangen, wenn dadurch die Mietsache nicht beschädigt wird. Dies hat das Amtsgericht Berlin-Mitte (Az. 119 C 408/13) entschieden.

Der Fall: Nachdem die Vermieterin die Ausführung von Modernisierungsarbeiten ankündigte, brachten die Mieter einer im Haus befindlichen Wohnung auf ihrem Balkon das umstrittene Transparent an. Die Vermieterin ließ sich davon nicht beeindrucken und stellte wie geplant im Oktober 2013 vor dem Haus ein mit einer grauen Filzstoffbahn versehenes Gerüst auf. Zudem brachte sie nur vor dem Balkon mit dem Transparent eine mehrfache Lage von Netzplanen an. Dies führte dazu, dass die Aufschrift des Transparents von der Straße aus nicht mehr gelesen werden konnte. Die Mieter verlangten die Beseitigung der Netzplanen. Die Vermieterin wiederum forderte die Entfernung des Transparents. Der Fall kam vor Gericht.

Kein Anspruch der Vermieterin auf Entfernung des Transparents

Das Gericht entschied zunächst gegen die Vermieterin. Ihr habe kein Anspruch auf Entfernung des Transparents zugestanden. Zwar könne ein solches Vorgehen einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache darstellen, wenn dadurch die Mietsache beschädigt wird oder das Transparent einen strafbaren, sittenwidrigen oder gegen eine konkrete Person gerichteten Inhalt aufweist. Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen.

Eine optische Beeinträchtigung des Wohnhauses habe nach Auffassung des Amtsgerichts auch nicht vorgelegen. Insofern sei zu berücksichtigen gewesen, dass das Transparent eine ähnliche optische Wirkung hatte, wie eine Außenmarkise und dass das Gebäude mit einem Baugerüst eingerüstet war.

Aufschrift war nicht unzulässig

Darüber hinaus sei die Aufschrift nach Ansicht des Amtsgerichts nicht unsachlich, strafbar oder sittenwidrig gewesen. So sei das Wort »Lxussanieren« zum einen weder ungebührlich noch herabwürdigend. Zum anderen habe es sich bei der Aufschrift nicht um eine provozierende gegen die Vermieterin gerichtete Äußerung gehandelt. Soweit Passanten das Transparent angesichts des Baugerüstes und der Netzplanen überhaupt wahrnehmen konnten, haben sie es nicht anders als eine Unmutsäußerung der von den Bauarbeiten geplagten und mit diesen nicht einverstandenen Mietern verstehen können.

Die Aufschrift habe zudem keinen Hinweis auf die Identität der Vermieterin aufgewiesen und habe auch keine Abschätzigkeit oder Misskreditierung der Vermieterin beinhaltet.

Anspruch auf Beseitigung der Mehrfachlagen von Netzplanen

Das Amtsgericht bejahte weiterhin den Beseitigungsanspruch der Mieter gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB hinsichtlich der mehrfachen Lagen von Netzplanen vor dem Balkon. Zwar habe sich der Anspruch nicht daraus ergeben, dass dadurch die Meinungsäußerung eingeschränkt wurde. Denn ein Mieter habe gegenüber seinem Vermieter kein Anspruch auf Gewährung von Grundrechten oder der Ermöglichung einer Ausübung dieser.

Der Anspruch habe aber deshalb bestanden, weil durch die Netzplanen der Lichteinfall in die Wohnung verringert und die Sicht auf die Straße begrenzt wurde. Dadurch sei die Nutzbarkeit des Balkons und somit der Mietsache beeinträchtigt worden, ohne dass ein sachlicher Grund von seitens der Vermieterin genannt wurde.

Das politische Spruchband

Der Vermieter hat keinen Anspruch auf Entfernung eines Spruchbands mit politischer Äußerung an der Hausfassade. Denn der Mieter hat ein Recht auf Meinungsäußerung.

Das Anbringen eines Spruchbands mit politischer Äußerung an der Hausfassade eines Wohnhauses kann vom Recht auf Lebensgestaltung (Art. 2 GG) und Meinungsäußerung (Art. 5 GG) gedeckt sein. In einem solchen Fall hat der Vermieter keinen Anspruch auf dessen Entfernung. Dies geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Göttingen Az. (20 C 241/87) hervor.

Der Fall: Die Mieter einer Wohnung brachten ein 400 x 70 cm großes Spruchband mit dem Text »Wir zählen nicht, wir werden gezählt« an die Außenwand des Wohnhauses an. Die Vermieterin verlangte die Beseitigung des Spruchbands.

Der Streitfall landete der Fall vor Gericht. Das Amtsgericht verneinte einen Anspruch auf Beseitigung des Spruchbands. Denn dessen Anbringen sei vom Recht auf Lebensgestaltung und Meinungsäußerung gedeckt gewesen. Es habe berücksichtigt werden müssen, dass die Äußerung sich weder gegen eine bestimmte Personengruppe noch gegen die Vermieterin selbst richtete. Zudem sei auch nicht der Hausfrieden gestört worden.

Das Interesse der Vermieterin, das Äußere ihres Gebäudes nach eigenem Geschmack zu gestalten, sei nach Auffassung des Amtsgerichts nur unwesentlich berührt worden. Das Spruchband sei ohne Substanzeingriff angebracht worden und leicht zu entfernen gewesen. Darüber hinaus sei das Spruchband nicht so groß gewesen, dass es den Gesamteindruck der Fassade prägte.

Der politische Aufkleber

Ein Aufkleber mit politischen Äußerungen am äußeren Türrahmen der Wohnungseingangstür ist erlaubt.

Ein Mieter ist grundsätzlich berechtigt, Aufkleber mit politischen Äußerungen am äußeren Türrahmen seiner Wohnungseingangstür zu befestigen, solange keine Störung des Hausfriedens vorliegt. Der Vermieter hat keinen Anspruch auf Unterlassung. Dies hat das Amtsgericht Osnabrück (Az. 31 C 1008/83) entschieden.

Der Fall: Die Mieterin einer Wohnung brachte am äußeren Türrahmen ihrer Wohnungseingangstür Aufkleber an, die eine Sympathie mit der Gewerkschaftsbewegung und der Partei »Die Grünen« bezeugten. Die Vermieterin hielt dies für eine unzulässige Provokation und verlangte die Beseitigung der Aufkleber.

Das Amtsgericht entschied gegen die Vermieterin. Diese habe keinen Anspruch auf Unterlassung nach § 541 BGB gehabt. Denn die Mieterin habe die Mietsache nicht vertragswidrig gebraucht. Dabei sei es unerheblich gewesen, ob der äußere Türrahmen Teil der vermieteten Wohnung ist oder in den Bereich des Hausflurs oder Treppenhaus gehört. Denn auch die zuletzt genannten Bereiche seien im Rahmen des Mietvertrages mitvermietet.

Keine Störung des Hausfriedens

Zwar sei es richtig, so das Amtsgericht weiter, dass die Nutzung des Hausflurs oder des Treppenhauses anderen Einschränkungen unterliegt als die Nutzung der Mietwohnung. Diese gehen aber nicht soweit, dass die Anbringung von Aufklebern von vorn herein unzulässig sind. Vielmehr sei sogar das Anbringen von Anschlägen und Wandzeitungen im Treppenhaus grundsätzlich zulässig.

Laut Amtsgericht habe hier keine Störung des Hausfriedens vorgelegen. Die Tatsache, dass die Vermieterin oder andere Mieter vielleicht anderer politischer Meinung waren, habe keinen ausreichenden Grund dargestellt, um eine vertragswidrige Nutzung der Mieterin zu begründen.

Feindliche Parolen

Beschmiert ein Mieter Fassade und Hausflur mit vermieterfeindlichen Parolen, rechtfertigt das eine fristlose Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB.

Angesichts des angespannten Wohnungsmarktes ist dem Mieter aber eine Räumungsfrist von drei Monaten zu gewähren, entschied das Amtsgericht Berlin-Neukölln (Az. 2 C 42/19).

Der Fall: Von April 2018 bis Januar 2019 tauchten an den Wänden im Hausflur und Treppenhaus, an der Straßenfassade und auf der Klingelplatte eines Wohngebäudes in Berlin Beschmierungen mit vermieterfeindlichen Parolen auf. Die Vermieterin beauftragte daraufhin ein Sicherheitsunternehmen mit der Observierung.

Ein Mitarbeiter des Unternehmens erwischte den Mieter einer Wohnung, wie er vermieterfeindliche Parolen auf die Straßenfassade und eine Wand im Hausflur schrieb. Die Vermieterin kündigte ihm fristlos. Da sich der Mieter weigerte, die Kündigung zu akzeptieren, klagte die Vermieterin auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.

Anspruch auf Räumung

Das Amtsgericht gab der Räumungs- und Herausgabeklage der Vermieterin statt. Der Anspruch ergebe sich aus § 546 Abs. 1 BGB, da die fristlose Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB wirksam sei. Der Mieter habe durch seine Tat nicht nur das Eigentum der Vermieterin vorsätzlich und widerrechtlich verunstaltet, sondern dieses auch gegen deren offensichtliche Interessen als politisches Kampfmittel missbraucht.

Es könne somit dahinstehen, ob der Mieter auch für die anderen Vorfälle verantwortlich ist oder ob eine Strafbarkeit wegen Sachbeschädigung nach § 303 StGB vorliegt, urteilte das Gericht.kostenlose-urteile.de/nd

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