SPD feiert Scholz

Sozialdemokraten gewinnen bei der Bundestagswahl Stimmen hinzu und wollen Regierung führen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

Kurz nach der Bekanntgabe der ARD-Prognose um 18 Uhr herrschte bei den Spitzenpolitikern der SPD Euphorie. Die Partei lag gleichauf mit der Union bei 25 Prozent. Arbeitsminister Hubertus Heil sagte, dass sich »ein grandioser Erfolg der SPD« abzeichne. Diesen führte er vor allem auf den Wahlkampf von Kanzlerkandidat Olaf Scholz zurück. Der Finanzminister habe Erfahrung und Kompetenz, sagte Heil.

Scholz gilt als Mann des konservativen Flügels der SPD und der Großen Koalition. Unter Parteilinken hatte er in früheren Zeiten viele Feinde. Trotzdem wurde er von den eher linken SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans zum Kanzlerkandidaten ausgerufen. Wichtigster Grund hierfür war die bundespolitische Bekanntheit von Scholz und die Unterstützung für ihn durch die sozialdemokratischen Ministerpräsidenten und Bundesminister.

Nun macht sich Scholz Hoffnung darauf, die CDU-Politikerin Angela Merkel zu beerben. Das bestätigte auch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil in Medieninterviews. »Die Menschen wollen einen Kanzler Olaf Scholz«, sagte er in der ARD.

Sicher war am Wahlabend, dass sich die Sozialdemokraten von ihrem Desaster bei der Bundestagswahl 2017 erholt haben. Damals war die SPD mit Martin Schulz an der Spitze auf 20,5 Prozent der Stimmen abgerutscht und entschied sich nach dem Scheitern der Verhandlungen von Union, FDP und Grünen dafür, erneut in eine Regierung mit den Konservativen einzutreten.

In den vergangenen Monaten sah es zwischenzeitlich so aus, als sollte die SPD in die Bedeutungslosigkeit abrutschen. Sie lag noch im Juni und Juli in den Umfragen bei 14 beziehungsweise 15 Prozent der Stimmen. Es folgte eine Aufholjagd der Sozialdemokraten. Nun sind sie mit ihrem Wahlergebnis wieder dort angelangt, wo sie nach der Wahl 2013 mit ihrem damaligen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück standen. Damals galt der Stimmenanteil von 25,7 Prozent allerdings als große Enttäuschung, weil die Sozialdemokraten damit deutlich hinter der Union lagen.

Nach der Wahl dürfte es lange Koalitionsverhandlungen geben. Mehrere Bündnisse sind möglich. Sollte die SPD stärkste Partei werden, gilt es als wahrscheinlich, dass Scholz ein Ampel-Bündnis mit Grünen und FDP bilden will. Nicht ausgeschlossen ist, dass der Kanzlerkandidat der Union, Armin Laschet, oder Scholz auch als Zweitplatzierte versuchen könnten, die Regierung zu bilden.

Profitiert hat die SPD nach Zahlen der ARD vor allem von Wählern, die bisher den Unionsparteien ihre Stimme gegeben haben. Die Konservativen verloren 1,4 Millionen Wähler an die SPD. Auch die Linkspartei musste bluten. Sie verlor fast 600 000 Stimmen an die Sozialdemokraten.

Scholz war eigentlich um 18.30 Uhr als Redner im Willy-Brandt-Haus angekündigt, wo begeisterte Genossen Fahnen der Partei und EU-Flaggen schwenkten. Doch der Auftritt verzögerte sich um etwa 30 Minuten, weil der Kanzlerkandidat mit Blick auf das knappe Rennen mit der Union die erste Hochrechnung abwarten wollte. Die Hochrechnung sah die Sozialdemokraten mit einem höheren Stimmenanteil gegenüber der Union. Als Scholz in der Parteizentrale der SPD die Bühne betrat, applaudierten die anwesenden Genossen minutenlang. Einzelne skandierten den Vornamen ihres Spitzengenossen. »Ich freue mich über das Wahlergebnis. Das ist ein großer Erfolg«, verkündete der Kanzlerkandidat. Seine Partei habe dafür geworben, dass wieder mehr Respekt in der Gesellschaft herrsche. »Das Ergebnis ist ein Auftrag der Wähler, unsere Ziele auch umzusetzen«, erklärte Scholz. Seinen politischen Stil beschrieb der Sozialdemokrat als »pragmatisch«. Er betonte zudem die Geschlossenheit seiner Partei im Bundestagswahlkampf.

Am Rande der Bühne applaudierten Esken und Walter-Borjans. Die Szene stand sinnbildlich für den Wahlkampf der Sozialdemokraten, in dem sich die Parteilinken sehr zurückgehalten und Scholz das Feld nahezu komplett überlassen hatten. Nachdem der Kanzlerkandidat die Bühne verlassen hatte, sprach Esken von einem »historischen Abend für die SPD«. Sie und Walter-Borjans seien angetreten, um die Partei wieder zu einen. Das sei nun gelungen, sagte die SPD-Vorsitzende. Walter-Borjans ergänzte, dass die Partei aus seiner Sicht »die Wahl gewonnen« habe. Ein Endergebnis stand zu diesem Zeitpunkt allerdings noch lange nicht fest.

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