Vertane Chance

Stephan Fischer zur Rede von Polens Regierungschef vor dem EU-Parlament

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 2 Min.

Polens Premier hatte am Dienstag vor dem EU-Parlament eine große Chance - er hat sie versäumt, falls er sie suchte. Mateusz Morawiecki spannte den ganz großen Bogen vom Urteil des polnischen Verfassungsgerichts über das Verhältnis zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten bis hin zum historisch unterlegten Postulat, dass die EU universalistisch, aber nicht zentralistisch orientiert sein dürfe. Das war interessant anzuhören, an manchen Punkten sagte der PiS-Politiker Zustimmenswertes - allein: Es handelte sich nicht um eine Staatsrechtsvorlesung oder eine Grundsatzrede. Morawiecki hätte etwas zu den Disziplinarkammern für Richter sagen sollen - dazu kam nichts. Theoretische Überlegungen in allen Ehren, aber hier hätte der PiS-Politiker der EU entgegenkommen können, vielleicht sogar müssen. Zumal Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen immer wieder gezeigt hat, beim kleinsten Anzeichen guten Willens aus Warschau wieder auf Dialog zu setzen. Stattdessen wird dort auf nationaler Souveränität beharrt, auch wenn es die EU-Mitgliedschaft kosten könnte.

So weit ist es noch nicht und wird es hoffentlich nicht kommen. Es ist aber schon genug Schaden angerichtet. Der EU fällt leider nicht viel mehr ein, als mit Geldentzug zu drohen - das ist dann die Sprache der »Drohungen und Erpressungen«, die Morawiecki mit Recht moniert. Nur: Wie glaubwürdig ist angesichts des brachialen autoritären Umbaus samt sprachlicher Verrohung solche Empfindlichkeit? Wie ernst zu nehmen sind Morawieckis Ideen zur Erweiterung des EuGH um eine mit nationalen Richtern besetzte zweite Kammer - wenn der EuGH gleichzeitig im Ganzen verteufelt wird? Wer nimmt noch wahr, wenn er schleichende Ausweitung von Befugnissen der EU beklagt, wenn die ganze Union ständig dämonisiert wird? Wer so oft poltert, dem glaubt man Zwischentöne nur schwer.Und ohne konkrete Deeskalation hört kaum noch jemand hin.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

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