Härtester Arbeitskampf seit der Wende

Verdi-Verhandlungsführer Ralf Franke über den Streik an den Asklepios-Kliniken in Brandenburg

  • Maximilian Breitensträter
  • Lesedauer: 5 Min.

Herr Franke, ab Donnerstag ruft die Gewerkschaft Verdi die 1300 Beschäftigten der drei Asklepios-Fachkliniken in Brandenburg für sechs Tage zum Streik auf. Der Arbeitskampf soll am 21. Oktober mit der Frühschicht um 6 Uhr starten und am 27. Oktober um 6 Uhr enden. Was wollen Sie mit dem Arbeitskampf erreichen?

Die Kolleginnen und Kollegen fordern ein Ende der Lohndiskriminierung in Ostdeutschland. Die Beschäftigten wollen in Brandenburg zu den gleichen Konditionen arbeiten und bezahlt werden, wie ihre Kolleginnen und Kollegen am Stammsitz des Asklepios-Konzerns in Hamburg. Dort zahlt das Unternehmen seinen rund 12 500 Mitarbeitenden Tariflohn nach dem TVöD, dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Auch am Standort Göttingen ist das so. Nur in Brandenburg gilt ein Haustarifvertrag. Die Differenz entspricht bis zu rund 10 600 Euro weniger Lohn für die Brandenburger Kolleginnen und Kollegen im Jahr - bei gleicher Arbeit und bei umgerechnet bis zu elf Arbeitstagen mehr im Jahr. Dafür gibt es 31 Jahre nach der deutschen Einheit keinerlei wirtschaftliche Rechtfertigung.

Interview

Ralf Franke ist 55 Jahre alt und arbeitet seit 1991 als Gewerkschaftssekretär bei Verdi im Bezirk Cottbus. Im Tarifkonflikt zwischen den nichtärztlichen Beschäftigten an den drei psychiatrisch-neurologischen Kliniken des privaten Asklepios-Konzerns in Brandenburg/Havel, Lübben und Teupitz ist er Verdi-Verhandlungsführer und Streikleiter. Über den Ausstand sprach mit ihm Maximilian Breitensträter.

Der Konzern begründet die unterschiedlichen Tarifverträge mit seiner privatwirtschaftlichen Ausrichtung. Da man keine Einrichtung des öffentlichen Dienstes sei, könne man auch nicht überall nach TVöD zahlen. Ansonsten drohe die Pleite.

Alle Krankenhausleistungen werden in allen Bundesländen nach den gleichen gesetzlichen Regelungen vergütet. Dies gilt auch für das Land Brandenburg. In Brandenburg werden die Beschäftigten im Städtischen Klinikum Brandenburg und im Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam nach dem TVöD beschäftigt. Bei der Klinikum Dahme-Spreewald GmbH beträgt das Tarifniveau rund 100 Prozent vom TVöD, beim Carl-Thiem-Klinikum in Cottbus 97,5 Prozent vom TVöD. Bei der Asklepios Fachkliniken Brandenburg GmbH beträgt das Entgelt im Jahr je nach Art der Tätigkeit aber nur 80 Prozent bis 90 Prozent vom TVöD.

Wie wird der erste Streiktag aussehen?

Nach insgesamt schon zwölf ganztägigen Tagen Warnstreik haben sich die Kolleginnen und Kollegen mit einer starken Mehrheit von knapp 91 Prozent bei einer Urabstimmung Anfang Oktober für unbefristete Streiks ausgesprochen. Ich rechne also mit einer guten Beteiligung. Am Donnerstag startet die erste Streikwelle mit einer gemeinsamen Demonstration in der Potsdamer Innenstadt. Dafür fahren Hunderte Kolleginnen und Kollegen von den drei Kliniken in Brandenburg/Havel, Teupitz und Lübben gemeinsam in die Landeshauptstadt. Danach geht es an den jeweiligen Standorten weiter. Unter anderem sind Streikfrühstücke und Stay-at-home-Streiktage geplant.

Sie sprechen von der ersten Streikwelle. Das heißt, es werden noch weitere folgen?

Natürlich hoffe ich, dass die Konzernführung noch zur Besinnung kommt und an den Verhandlungstisch zurückkehrt. Wenn ich mir das bisherige Agieren des Arbeitgebers anschaue, bin ich aber nicht sonderlich optimistisch. Seit April führen wir nun schon Tarifverhandlungen, ohne dass die Konzernleitung ein kompromissfähiges Angebot vorgelegt hätte. Auch bei der bislang letzten Verhandlungsrunde am 22. Juni hat Asklepios seine Position nur abermals unterstrichen. Und die heißt: Kein TVöD für die Brandenburger Klinikbeschäftigten und damit auch in Zukunft bis zu 20 Prozent weniger Entgelt. Das damals vom Arbeitgeber vorgelegte Angebot hätte den Entgeltabstand zum TVöD tatsächlich sogar noch vergrößert. Für uns als Verdi ist ganz klar, dass wir keinem Tarifvertrag zustimmen werden, der die konzerninterne Lohnungleichheit nicht beendet. Die Fronten sind also verhärtet. Der Klinikkonzern hat es jetzt selbst in der Hand, ob sich der Konflikt zwischen dem Management und den Beschäftigten verschärft. Wir sind in jedem Fall zu weiteren Streikaktionen bereit und planen diese auch schon.

Die Konzernleitung von Asklepios kritisiert den Ausstand scharf. Der Vorwurf: Die Beschäftigten setzten die Gesundheit der Patientinnen und Patienten aufs Spiel, zumal es im Vorfeld keine Einigung auf die erforderlichen Notdienste an den drei Standorten gegeben habe.

Die Verantwortung dafür, dass Notdienstpläne nicht zustande gekommen sind, liegt allein bei Asklepios. Die Konzernleitung hat für alle Stationen und Tageskliniken Notdienste im Umfang von rund 380 nichtärztlichen Beschäftigten täglich gefordert. Das wäre dann so gewesen, als würde es überhaupt keinen Streik geben - das ist doch völlig absurd. Als Gewerkschaft wollen wir Notdienste für 31 Stationen mit täglich rund 200 nichtärztlichen Beschäftigten anbieten. Die 150 Ärztinnen und Ärzte sind ja ohnehin nicht vom Streik betroffen und müssen ihren Dienst wie geplant verrichten. Wer durch Lohndumping die Beschäftigten dazu nötigt, sich nach anderen Arbeitgebern umzuschauen und dadurch den Fortbestand des Standorts gefährdet, darf nicht das Wohl der Patientinnen und Patienten als Scheinargument missbrauchen. Asklepios hat sogar die Leiharbeitnehmerinnen für die Dauer des Streiks auch auf neurologischen Stationen abgemeldet, die mit Notdiensten besetzt werden sollen. Damit gefährdet Asklepios das Patientenwohl.

Wie schätzen Sie die Streikmoral unter den Beschäftigten ein?

Die Kolleginnen und Kollegen sind stinksauer auf die Konzernleitung. Sie sind aber auch fest entschlossen, für faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Das zeigen auch die rund 100 Neueintritte von Klinikbeschäftigten in unsere Gewerkschaft, die es seit dem ersten Warnstreik gegeben hat. Die Beschäftigten sind sich bewusst, dass es sich hier um den härtesten Arbeitskampf handelt, den es im Bereich des Gesundheitswesens nach der Wende in Brandenburg gegeben hat. Dass die Konzernleitung aktuell versucht, mit Entlassungsdrohungen Druck aufzubauen, spornt die Kolleginnen und Kollegen nur weiter an. Viele der Beschäftigten arbeiten gern in den Klinikstandorten und haben eine besondere Beziehung zu ihren Patientinnen und Patienten. Das wollen sie sich nicht einfach so von einem Management kaputtmachen lassen, dem es offenbar vor allem um Profite geht.

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