Öko-Wende nur mit Umverteilung

Die hohen Energiepreise sind vor allem für die Armen in Deutschland ein Problem. Zügige Abhilfe kann die Bundesregierung unter anderem durch eine Erhöhung des Mindestlohns schaffen

  • Jonas Pieper
  • Lesedauer: 3 Min.

Im vergangenen Jahr ist der Lebensunterhalt deutlich teurer geworden. Ein großer Treiber sind die Energiepreise, die in diesem Sommer etwa 15 Prozent über dem Niveau aus dem Vorjahr lagen. Zwar wirken zumindest auf den Strompreis auch dämpfende Effekte wie die sinkende EEG-Umlage, aber für Energie insgesamt erwarten die Wirtschaftsinstitute auch für das nächste Jahr eine deutliche Preissteigerung.

Besonders davon betroffen sind Menschen mit Niedriglöhnen oder Sozialleistungen. Die 13 Millionen armen Menschen in Deutschland kamen bereits vor den Preissteigerungen mit ihrem Geld kaum über den Monat. So reichen beispielsweise die in Hartz IV und der Grundsicherung im Alter vorgesehenen Ausgaben für Strom regelmäßig nicht, um die Rechnungen zu begleichen. Woher Menschen die Differenz nehmen? Zumeist aus dem restlichen Regelbedarf, wo es dann für andere Dinge fehlt, sei es für den ohnehin seltenen Kinobesuch oder für das Kinderfahrrad. Fürs Heizen werden die Kosten grundsätzlich zwar übernommen. In der Praxis kommt es allerdings auch hier häufig zu einer Unterdeckung. Denn nicht selten werden in den Jobcentern Heizspiegel zur Anwendung gebracht, die unter den tatsächlichen Heizkosten liegen.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Was ist also zu tun? Kurzfristig würde eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns und der Regelsätze in der Grundsicherung die angespannte finanzielle Situation von Millionen Menschen so lindern, dass sie die gestiegenen Energiepreise besser verkraften könnten. Die von der alten Bundesregierung zum kommenden Jahr vorgesehene Erhöhung des Regelsatzes um drei Euro würde dagegen sogar einen realen Kaufkraftverlust bedeuten. Der Paritätische tritt daher gemeinsam mit zahlreichen anderen Organisationen für eine Grundsicherung in Höhe von mindestens 600 Euro ein – eine notwendige Summe für ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Teilhabe und für die Versorgung mit Energie fürs Heizen, Kochen oder Duschen.

Unabhängig von den aktuellen Energiepreisen wird der ökologische Umbau unserer Gesellschaft mit steigenden Preisen einhergehen. Ein sozialer Ausgleich ist unabdingbar, damit in einer sozial-ökologischen Wende niemand zurück gelassen wird. Ein geeignetes Instrument hierfür ist ein Ökobonus, der die Mehrausgaben pauschal abdeckt. Menschen mit geringen Einkommen und typischerweise geringerem Energieverbrauch würden davon stärker profitieren als Menschen mit hohen Einkommen und Verbräuchen. Bei einem angenommenen CO2-Preis von 50 Euro pro Tonne läge ein solcher Ökobonus bei schätzungsweise 150 Euro pro Kopf jährlich. Zusätzlich sollte als Maßnahme gegen steigende Heizkosten der CO2-Preis in Zukunft nicht mehr auf die Miete umgelegt werden dürfen. Hier sind die Vermieter*innen in der Verantwortung. Sie sind es schließlich, die über Investitionen in klimafreundliche Heizungen entscheiden.

Perspektivisch muss Energie gleich in zweifacher Hinsicht umverteilt werden. Zunächst einmal von fossilen zu erneuerbaren Energieträgern: Der Umstieg aufs Heizen mit regenerativen Energien und die Elektrifizierung des Verkehrs – hier insbesondere auch der Rückbau des Individualverkehrs – macht uns unabhängiger von Schwankungen der Gas- und Ölpreise. Doch auch Energie aus erneuerbaren Quellen ist eine wertvolle Ressource und wird ein knappes Gut bleiben. Zur sozialen Gestaltung der ökologischen Transformation gehört daher auch, dass wir uns über die gesellschaftliche Verteilung der Energienutzung Gedanken machen. Ist es nicht ungerecht, dass ein knappes Gut wie Energie den gleichen Preis hat, egal ob ich sie für meinen Grundbedarf verwende oder aber für das Zweitauto oder die überdimensionierte Wohnung? Bräuchte es nicht progressiv steigende Tarife für Energie, bei denen ein Grundbedarf sehr günstig oder gar kostenfrei ist, große Verbräuche aber stark verteuert würden?

Es ist bei der Energie wie bei anderen Ressourcen: Ohne Umverteilung zugunsten der Ärmeren kann eine sozial-ökologische Wende nicht gelingen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal