Tritt zurück, Präsident!

In Burkina Faso sind tagelange Proteste gegen Staatschef Kaboré angekündigt

  • Franza Drechsel
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Proteste in Burkina Faso ebben nicht ab. Für die Tage zwischen dem 27. und 30. November haben zivilgesellschaftliche Organisationen und politische Parteien, die unter »Koalition 27. November« firmieren, landesweit zu »gigantischen Demonstrationen« aufgerufen, um den Rücktritt des Präsidenten Roch Marc Christian Kaboré zu fordern. Am Samstag versammelten sich in der Hauptstadt Ouagadougou Hunderte Demonstrant*innen, errichteten Barrikaden, die von der Polizei unter Einsatz von Tränengas aufgelöst wurden. Vor allem die immense Unzufriedenheit über die Sicherheitslage nach einem weiteren Terroranschlag am 22. November, durch den erneut 19 Menschen starben, treibt die Burkinabe auf die Straßen.

Schon in den vergangenen Wochen kam es zu Großkundgebungen gegen Roch Marc Christian Kaboré, den vor einem Jahr für eine zweite Amtszeit wieder gewählten Präsidenten Burkina Fasos. Schon diese Wiederwahl war überschattet von der schwierigen Sicherheitslage und terroristischen Attacken.

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Seit mehreren Wochen fordern Oppositionsparteien Präsident Kaboré auf, endlich eine effektive Strategie gegen die bewaffneten Gruppen einzusetzen oder andernfalls zurückzutreten. Die Opposition macht sich damit zum Fürsprecher der allgemeinen Unzufriedenheit der Burkinabe. Seit der Zunahme von Terroranschlägen durch dschihadistische Gruppen ab 2016 fühlen sich große Teile der Bevölkerung von der Regierung noch mehr im Stich gelassen.

Schon nach dem Massaker in Solhan im Juni 2021, bei dem 160 Personen starben, gab es Proteste. Doch der Unmut ist seit langem gewachsen und bricht sich nun wieder Bahn. 2014 wurde durch Proteste der 27 Jahre lang regierende Blaise Compaoré aus dem Amt gejagt.

Der Goldboom hat dazu geführt, dass Land verstärkt an ausländische Investor*innen verschachert wird. Somit verlieren viele Menschen im ländlichen Raum ihre Lebensgrundlage und nur eine Elite profitiert vom Ressourcenreichtum des Landes.

Die Sicherheitskrise verschlimmert die Lage zusätzlich; mittlerweile sind von rund 20 Millionen Einwohner*innen über 1,4 Millionen Geflüchtete im eigenen Land. Mehr als 2000 Schulen sind geschlossen, mehr als 300 000 Kinder damit vom Schulbesuch ausgeschlossen. Seit 2019 herrscht in 14 von 45 Provinzen eine nächtliche Ausgangssperre.

Den jüngsten Protesten vorausgegangen war ein Anschlag am 14. November auf die Gendarmeriestation in Inata in der nördlichen Provinz Soum. Vermutlich war es die Gruppe Ansarul Islam, zugehörig zur »Gruppe zur Unterstützung des Islam und der Muslime« (GSIM), die dabei 53 Menschen tötete. Gerüchte über fehlende Lebensmittelversorgung der dort stationierten Soldaten verstärkten den Zorn der Burkinabe.

Verschiedene Organisationen und politische Parteien, darunter die Bewegung Sauver le Burkina Faso (Rettet Burkina Faso) und die panafrikanische COPA-BF, riefen am 16. November, an dem der Präsident eine dreitätige Staatstrauer verhängt hatte, zu Protesten auf. In mehreren Städten, unter anderem im besonders vom Terrorismus betroffenen Norden und Osten des Landes, folgten Unzufriedene dem Aufruf. Forderungen nach einem Ende der französischen Intervention in Mali und dem Rücktritt des Präsidenten wurden laut.

Am nächsten Tag kam es zu Straßenblockaden, um die Fahrt eines französischen Militärkonvois mit 60 Fahrzeugen aus der Côte d’Ivoire über Burkina Faso nach Niger zu verhindern. Sie wurden über eine Woche aufrechterhalten. Noch nie gab es so starken Widerstand gegen den regelmäßigen Transfer im Rahmen der französischen Militäroperation Barkhane. Seit dem 20. November ist das mobile Internet abgeschaltet; laut Regierungsaussagen zur Wahrung der nationalen Sicherheit.

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Aus Sicht vieler Menschen nutzt das französische Militär den Terrorismus, um die eigene Präsenz in der Region zu rechtfertigen. Die burkinische Regierung verhindere die Bewaffnung der Bevölkerung, bleibe selbst aber tatenlos. Vielen Burkinabe scheint es als Mittel gegen Terrorismus deshalb vielversprechender, das französische Militär außer Landes und die Regierung aus dem Amt zu jagen.

Allerdings lehrt die Erfahrung mit dem Sturz des Präsidenten 2014, dass ein Regierungswechsel allein die fundamentalen Probleme nicht lösen wird. Dennoch liegt in den Protesten eine wichtige Chance, um Eliten wie ausländischen Kräften zu verstehen zu geben: Es sind die Burkinabe, die über ihr Land entscheiden.

Unsere Autorin ist Referentin für Westafrika bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

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