Koalition will Gemeinnützigkeitsrecht modernisieren

Vereinsverband: Belastungen und Sorgen vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen sinken durch neue Gesetzesvorhaben

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.

Was bietet der Ampel-Koalitionsvertrag für die Bürgerrechte und Demokratieförderung in Deutschland? Verbände und Bürgerrechtsorganisationen haben bisher eher positiv auf die Pläne der Regierung aus SPD, Grünen und FDP reagiert – Kritiker weisen jedoch darauf hin, dass weitergehende Schritte notwendig seien und oftmals auch die Umsetzung der Vorhaben unklar ist.

Über den Umgang mit Polizeibehörden und Terroraufarbeitung hatte »nd« bereits berichtet. Andere Felder wurden in der öffentlichen Debatte dagegen bisher weniger berücksichtigt. So hat sich die Ampel-Koalition beispielsweise vorgenommen, das Gemeinnützigkeitsrecht zu modernisieren. »Wir wollen gesetzlich klarstellen, dass sich eine gemeinnützige Organisation innerhalb ihrer steuerbegünstigten Zwecke politisch betätigen kann sowie auch gelegentlich darüber hinaus zu tagespolitischen Themen Stellung nehmen kann, ohne ihre Gemeinnützigkeit zu gefährden«, heißt es im Koalitionspapier. Man wolle dazu »handhabbare, standardisierte Transparenzpflichten und Regeln zur Offenlegung der Spendenstruktur und Finanzierung« schaffen. Grundsätzlich möchte die Koalition der »entstandenen Unsicherheit nach der Gemeinnützigkeitsrechtsprechung des Bundesfinanzhofes entgegenwirken«, dafür wolle sie gegebenenfalls auch die einzelnen Gemeinnützigkeitszwecke »konkretisieren und ergänzen«. Die Förderung eines gemeinnützigen Journalismus nimmt sich die neue Bundesregierung ebenso vor.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Stefan Diefenbach-Trommer von der Allianz für »Rechtssicherheit für politische Willensbildung«, die eine Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts anstrebt, zeigte sich zufrieden. »Wenn diese Vorhaben zügig umgesetzt werden, wird das die Belastungen und Sorgen vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen senken.« Der Großteil der Forderungen der Initiative werde aufgegriffen. Vieles sei jedoch bisher nur grob vereinbart. »Wir erwarten, dass die Koalition 2022 einen Prozess startet, zusammen mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, um ein Gesetz auf den Weg zu bringen«, so Diefenbach-Trommer.

Im Bereich der Überwachung wird derweil angekündigt, die Sicherheitsgesetze »auf ihre Auswirkungen sowie auf ihre Effektivität« hin auswerten zu wollen. Die Ampel-Koalition plane so eine »Überwachungsgesamtrechnung«, bis spätestens Ende 2023 solle es eine unabhängige wissenschaftliche Prüfung der Sicherheitsgesetze und ihrer Auswirkungen geben. Ein unabhängiges Expertengremium namens »Freiheitskommission« wolle bei zukünftigen Sicherheitsgesetzgebungsvorhaben die verantwortlichen Stellen beraten.

Videoüberwachung wiederum soll ergänzend an »Kriminalitätsschwerpunkten« eingesetzt werden, eine flächendeckende Nutzung sowie der Einsatz von biometrischer Überwachung wird von der neuen Bundesregierung abgelehnt. Das Recht auf Anonymität sowohl im öffentlichen Raum als auch im Internet sei zu gewährleisten, heißt es. Von der Vorratsdatenspeicherung wendet sich die Koalition trotz großer öffentlicher Kritik nicht grundsätzlich ab. Es gelte, diese so umzusetzen, dass »Daten rechtssicher anlassbezogen und durch richterlichen Beschluss gespeichert werden können«. Überwachungssoftware wie der Bundestrojaner soll ebenfalls eingesetzt werden können, man wolle aber die »Eingriffsschwellen« hoch ansetzen und das geltende Recht an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes für die Online-Durchsuchung anpassen. »Solange der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung nicht sichergestellt ist, muss ihr Einsatz unterbleiben«, heißt es zur Anwendung. »Was dieser Satz in der Praxis heißt, bleibt spannend«, kommentierte die Bürgerrechtsaktivistin Anna Biselli.

Im Bereich der Demokratieförderung zeigte sich die Amadeu Antonio Stiftung erfreut über ein Demokratieförderungsgesetz, das bis 2023 zur Stärkung der Zivilgesellschaft auf den Weg gebracht werden soll. Auch der Bundesverband Mobile Beratung schloss sich der Einschätzung an. Kritisiert wurde unter anderem jedoch eine mögliche »Extremismusklausel« sowie dass an keiner Stelle auf die Empfehlungen der NSU-Untersuchungsausschüsse eingegangen werde. Viele Maßnahmen im Koalitionsvertrag seien schwammig formuliert, so die Initiative.

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