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- Hauptrunde der Handball-WM
Handballerin springt aus der Komfortzone
Meike Schmelzer will als Abwehrchefin die Deutschen ins WM-Viertelfinale führen
Es war eine Huldigung der besonderen Art: Als die deutschen Handballerinnen mit einem souveränen, wenn auch nicht wirklich überzeugenden 29:18-Sieg gegen die Republik Kongo in die Hauptrunde der Weltmeisterschaft starteten, schaute Meike Schmelzer von der Ersatzbank aus zu. Bundestrainer Henk Groener hatte die Kreisläuferin nicht wegen schlechter Leistungen auf die Bank verbannt, sondern um seiner Schlüsselspielerin Ruhe zu geben. In den nächsten Tagen und den Duellen gegen Südkorea an diesem Freitag (15.30 Uhr) und Dänemark am Sonntag (20.30 Uhr) wird Schmelzer an zentraler Stelle gebraucht.
In der für die Auswahl des Deutschen Handballbundes erfolgreichen Vorrunde mit Siegen über Tschechien, die Slowakei und Ungarn hat sich Schmelzer die Ruhepause verdient, denn sie agierte auf einem derart hohen Niveau, dass der Bundestrainer die Entscheidung traf, sie gegen einen Gegner zu schonen, der auch ohne die wichtigsten Säulen besiegt werden würde. Im »Vorrundenfinale« gegen Ungarn hatte Schmelzer beim knappen 25:24-Sieg fünf Treffer beigesteuert und zudem in der Abwehrzentrale dafür gesorgt, dass die Defensive in der zweiten Hälfte dem wachsenden Druck der Gegnerinnen standhielt.
Meike Schmelzer hat sich in den vergangenen Monaten, vor allem aber in den vergangenen zehn Tagen in eine Rolle gespielt, die ihr viele nicht zugetraut hatten. Bei den zurückliegenden Großturnieren saß sie oft auf der Bank. Schließlich war als Kreisläufern Nummer eins und zentrale Abwehrspielerin Julia Behnke gesetzt. Schmelzer kam nur aufs Feld, wenn Behnke sich mal ausruhen musste. Weil die im Anschluss an die EM vor einem Jahr aber ihren Rücktritt aus dem Nationalteam erklärt hatte, wurden die Aufgaben danach zwangsweise neu verteilt. Schmelzer bekam mehr Verantwortung, ergriff die Chance und ist inzwischen ein Fixpunkt im Spiel der Deutschen. »Ich habe jetzt eine sehr präsente Rolle in der Mannschaft und freue mich, dass ich ihr viel geben kann«, sagt die 28-Jährige.
Einen Vergleich mit ihrer Vorgängerin, die im Streit mit dem Bundestrainer ausgeschieden ist, vermeidet Schmelzer. »Ich bin Meike Schmelzer und nicht die Nachfolgerin von irgendwem«, erklärt die neue Abwehrchefin. »Jule ist Jule. Sie hat dem Team viel gegeben und das versuche ich jetzt auch.« Die Botschaft lautet, sich nicht zu sehr mit der Vergangenheit zu beschäftigen, sondern die Gegenwart und die nahe Zukunft in den Fokus zu rücken.
Es ist kein Zufall, dass Schmelzer ausgerechnet jetzt erstmals in der Lage ist, eine tragende Rolle in der Nationalmannschaft zu übernehmen. Im vergangenen Sommer entschied sie sich zu einem Wechsel ins Ausland. »Ich hatte immer schon mit diesem Gedanken gespielt und nach sieben Jahren beim Thüringer HC war die Zeit dafür gekommen«, sagt Schmelzer, die seit ein paar Monaten in Siebenbürgen lebt und für den rumänischen Erstligisten CS Gloria Bistrita-Nasaud spielt.
Es war ein mutiger Schritt, der sich gelohnt hat. »Ich finde, dass ich mich persönlich und sportlich weiterentwickelt habe«, erklärt Schmelzer nun und erhält Bestätigung vom Bundestrainer. »Meike hat einen Entwicklungssprung gemacht und spielt jetzt im Team eine wichtige Rolle«, sagt Groener. Der Niederländer fordert seine Spielerinnen seit Jahren dazu auf, die eigene Komfortzone zu verlassen. Das hat im Fall Schmelzer funktioniert. »Der Wechsel hat ihr einen richtigen Push gegeben«, findet Rechtsaußen Marlene Kalf. »Meike spielt ein Bombenturnier.«
Mit einem Sieg gegen Südkorea können Kalf, Schmelzer Co. den Sprung ins Viertelfinale bereits perfekt machen - und damit das erste große Ziel realisieren. »Ich denke, dass wir das Niveau haben, um dieses Spiel gegen eine gefährliche Mannschaft zu gewinnen«, sagt Schmelzer. Die Kreisläuferin ist bereit für die schwerer werdenden Aufgaben bei dieser WM. Und ausgeruht ist sie jetzt auch.
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