Brinkhaus motzt

Oppositionsführer Ralph Brinkhaus kritisiert die neuen Regierung, auch für alte Fehler der Union. Er erntet dafür Häme im Netz

  • Julia Trippo
  • Lesedauer: 4 Min.

Die CDU ist nach 16 Jahren abgewählt - und sitzt im Deutschen Bundestag nun auf der Oppositionsbank. In diese Rolle müssen sich die christdemokratischen Abgeordneten erst mal einfinden. Statt über Gesetze zu entscheiden und Kanzlerin und Minister*innen zu stellen, gehört zum Aufgabenprofil der Opposition, die Fehler der Regierung aufzuzeigen und bessere Alternativen darzustellen.

Darin übte sich erstmals Ralph Brinkhaus (CDU), früherer und aktueller Unionsfraktionsvorsitzender und damit Oppositionsführer, am Mittwoch im Plenarsaal. Die Oppositionsreden der letzten 70 Jahre habe er sich zur Vorbereitung durchgelesen, und im Gegensatz zu vielen seiner Vorgänger*innen möchte Brinkhaus keine Bitterkeit zeigen, weil er nicht in der Regierung sitzt. Und somit gratuliert er fair dem neuen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zur Wahl und bietet Richtung Regierungsbank auch immer wieder Zusammenarbeit an.

Seine Rede ist kämpferisch, und die rhythmisch wippende Hand, teilweise zur Faust geballt, untermauert seine Argumente. Zunächst appelliert Brinkhaus an die neue Regierung, die »70 Jahre alte Sitzordnung in diesem Parlament zu respektieren«. Konkret geht es bei dem alten Streit um die Sitzplatzordnung im Plenarsaal. Denn niemand möchte neben der AfD sitzen, weshalb die FDP - jetzt Teil der Regierung - mit der CDU/CSU-Fraktion die Plätze tauschen wird. Zu Brinkhaus’ Missfallen kann die Ampel-Koalition dies mit ihrer Mehrheit durchaus einfach durchdrücken.

Brinkhaus hat sich offensichtlich damit auseinandergesetzt, was nun die Aufgabe der Union als größte Oppositionspartei ist. Zunächst kritisiert er Scholz, weil seine erste Rede zu »ideenlos« gewesen sei. Er erwarte nicht, dass der neue Bundeskanzler in der ersten Regierungserklärung kleinteilig den Koalitionsvertrag referiere, sondern mehr Begeisterung zeige. Des Weiteren warnt er ihn: »Wenn Sie mit dem Finger auf die alte Regierung zeigen, dann zeigen Sie immer mit dem Finger auf sich selbst.« Das ist ein Rat, auf den der Christdemokrat mal besser selbst gehört hätte! Denn mit seinem nächsten Schuss gegen Scholz trifft Brinkhaus sein eigenes Knie.

»Wir sind nicht gut vorbereitet auf Katastrophen. Wir sind nicht gut vorbereitet auf Pandemien. Wir sind nicht digital genug in der Verwaltung«, moniert er. Und genau an diesem Punkt platzte auch dem Internet als kollektive Schwarmintelligenz der Kragen. Nicht etwa, weil es gegen Brinkhaus’ Aussagen Widerspruch gab. Im Gegenteil: Recht bekommt er von allen Seiten. Doch gefragt wird auch, wer »uns in eine so beschissene Ausgangssituation gebracht hat @CDU?«.

Brinkhaus’ Sehfehler: Die Ampel ist keine Koalition des Linksrucks, sondern der Mitte und des Kompromisses

Viele User*innen auf Twitter erinnern den CDUler nach seiner Rede an die 16 Jahre lange Regierungsverantwortung seiner Partei unter Angela Merkel. Dass Deutschland in vielen Bereichen nicht gut aufgestellt ist, liegt in großen Teilen an seiner Union, auch wenn Brinkhaus jetzt auf der Oppositionsbank sitzt. Ganz allgemein wird Oppositionsarbeit insbesondere für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die 16 Jahre lang maßgebliche Entscheidungen für dieses Land getroffen hat, besonders zu Beginn der neuen Legislaturperiode, ein kniffliges Unterfangen. Scholz und seine Ampel sind erst seit dem 8. Dezember im Amt, jegliche Kritik am derzeitigen Zustand geht deshalb neben der SPD auch an die Union. Im Netz wurde geurteilt: Brinkhaus’ Schlussfolgerung sei »dreist« - eine »Unverschämtheit«, der noch jungen Ampel-Koalition die Schuld am Status quo zu geben. Ein User schrieb: »Ich nominiere Brinkhaus für den deutschen Comedypreis.«

Schallendes Gelächter erhielt Brinkhaus ferner, als er über die Wurzeln der Union referierte: »Wir sind christlich, nicht, weil wir alle in der Kirche sind, aber weil wir ein christliches Werteverständnis haben. Das immunisiert uns als Union auch vor moralischer Überheblichkeit.« Höhnisches Lachen schallte da vom Plenum zu ihm zurück. Ob sich der Lacher auf die Ironie der Rede bezog oder auf einige moralisch dubiose Skandale innerhalb der CDU (Maskenaffäre, Raseraffäre und etliche andere Korruptionsskandale), ist bis dato nicht klar.

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