Vom Regenbogen abgetropft

Das Archäologische Landesmuseum in Brandenburg präsentiert einen sensationellen Goldschatz

  • Ronald Sprafke
  • Lesedauer: 5 Min.
Es war ein Wunder, wenn auch kein Weihnachtswunder. Eine Überraschung, denn an sich konnte es gar nicht sein, was Wolfgang Herkt vor vier Jahren geschah und nicht nur ihn beglückte. Der ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger war, mit einem Metalldetektor ausgerüstet, bereits ein größeres Gebiet im Brandenburgischen abgelaufen. Auf einem Acker in der Nähe des Dorfes Baitz bei Brück wurde er plötzlich fündig, hielt ein verbeultes gelbliches Metallobjekt in der Hand, das ihn an den Verschluss einer Flasche »Kümmerling«, Kräuterlikör, erinnerte. Als er den Gegenstand gesäubert hatte, erstrahlte und funkelte dieser golden.

Hoch motiviert suchte Herkt weiter und hatte alsbald elf kleine runde Goldobjekte dem Erdreich entrissen. Er meldete den Fund sofort dem Landesamt für Denkmalpflege, das sogleich eine systematische Erkundung des Ackers sowie Ausgrabung startete. Im Ergebnis wurden 41 Goldstücke geborgen, die sich als keltische Münzen, sogenannte Regenbogenschüsselchen, entpuppten. Diese wurden nun durch den Landesarchäologen Franz Schopper und die Brandenburger Kulturministerin Manja Schüle in Potsdam vorgestellt. Die Ministerin sprach bei der Präsentation von einer »Sensation«, Herkt von einem »Ausnahmefund«. Beides ist nicht übertrieben.

Die Kelten hatten um 300 v. Chr. begonnen, Goldmünzen zu prägen. Ein spezieller Typus sind die »Regenbogenschüsselchen«, kleine schüsselförmig geformte Goldstücke, die abstrakte Symbole wie Sterne, Blätterkranz, Kugeln oder Kreise zierten, aber auch einfache figürliche Motive, etwa eine Schlange oder ein Vogelkopf. Manche waren gänzlich »nackt«, ohne jede Einprägung. Zu diesem »glatten Typus« gehören die Neufunde. Der den Schatz untersuchende Numismatiker Marjanko Pilekić datiert die Münzen in die spätkeltische Zeit (Latène D), also zwischen 120 bis 30 Jahre v. Chr.

Doch warum gibt es diese Aufregung um 41 Münzen, sind doch auf deutschem Boden schon mehrere Hundert keltische Münzen entdeckt worden? Ganz einfach: Dies gelang bisher zumeist nur in Süddeutschland, Hessen und der Pfalz – in Brandenburg bis dato nicht. Denn die ostelbischen Gebiete sind von den Kelten, die große Teile Europas bewohnten, nie durchzogen worden.

Die »Kelten« oder das »keltische Volk« hat es eigentlich nicht gegeben. Der griechische Geschichtsschreiber Herodot erwähnt im 5. Jahrhundert v. Chr. in seinen »Historien« beiläufig, dass die Donau im »Keltenland« entspringe. In der Folgezeit wurde dieser Begriff auf andere, weitgehend unbekannte Stämme übertragen, die man als dazugehörend erachtete. Auch Caesar berichtet in seinen berühmten »Commentarii de bello Gallico« über das von ihm eroberte Gallien, dass dort Menschen leben, »welche in ihrer Sprache Kelten, in unserer Gallier genannt werden«. In seinen Kriegserinnerungen unterschied er zwischen linksrheinisch siedelnden Kelten und rechtsrheinischen Germanen.

Der griechische Historiker Polybios sprach im 2. Jahrhundert v. Chr. von Galatern, die im Verlaufe weitreichender Wanderungen Anfang des 3. Jahrhunderts v. Chr. Griechenland erreicht und dort Delphi verwüstet hätten und anschließend nach Kleinasien übergesetzt seien. In Zentralanatolien fanden sie um Ancyra (heute Ankara) eine neue Heimat, bis Attalos I., König von Pergamon, sie in mehreren Schlachten zwischen 234 bis 223 v. Chr. besiegte. Seinen Triumph feierte er durch das Aufstellen einer großen Statuengruppe im Athena-Heiligtum von Pergamon, von der heute noch die eindrucksvollen Marmorstatuen des »Sterbenden Galliers« und des »Galliers Ludovisi« erhalten sind.

Unter den Benennungen Kelten, Gallier und Galater wurden und werden verschiedene Stämme zusammengefasst, die von 500 bis 50 v. Chr. – dem Jahr des Sieges Caesars über die Kelten – ein riesiges Territorium bevölkerten: von Südostengland, Frankreich und Nordspanien im Westen und Oberitalien (Po-Ebene) im Süden bis nach Westungarn und Slowenien im Osten. Die Nordgrenze ihrer Siedlungsgebiete markierten die deutschen Mittelgebirge. Daran schloss sich eine keltisch-germanische Übergangszone an, in der intensiv Handel getrieben wurde. Das Kontaktgebiet zog sich bis in den Westthüringischen Raum.

Zur und über die Elbe sind die Kelten trotz all ihrer großen Wanderlust jedoch nie gekommen, wie aus den immer spärlicheren Funden keltischer Waren in nördlicheren Regionen geschlossen wurde. Im heutigen Sachsen-Anhalt sind eine Handvoll keltischer Goldmünzen gefunden worden, in Brandenburg hingegen bis zu diesem Goldfund nur keltische Schwerter und Schüsselchen, und zwar im Havelland. Insofern ist es berechtigt, diesen Neufund als Sensation zu bezeichnen. Die Ausgrabung brachte zudem Relikte, darunter Keramiken, einer Siedlung der Jastorf-Kultur hervor, die vom 5. Jahrhundert v. Chr. bis zur Zeitenwende existierte.

Doch zurück zu den keltischen Goldmünzen. Wie gelangten sie in die frühgermanische Siedlung bei Brück? Austausch und Fernhandel sind naheliegende Deutungen. Bekannte keltische und germanische Exportartikel waren neben Vieh und Bernstein auch blondes Frauenhaar sowie Gefangene und Sklaven, woran man vor allem im Römischen Reich sehr interessiert war. Die geringe Zahl an Münzen hingegen scheint für eine geringe Bedeutung des Geldes in den keltisch-germanischen Austauschbeziehungen in den nördlichen Regionen zu stehen. Pilekić vermutet, dass die in Brandenburg geborgenen Exemplare Münzen aus einer keltischen Prägestätte in Hessen oder Rheinland-Pfalz stammen. Sie befinden sich in einem guten Zustand, wirken prägefrisch, scheinen nicht durch viele Hände gegangen zu sein. Der Numismatiker spricht von einem »Börsenfund«.

Gold war immer (wie auch heute noch) ein Prestigeobjekt, ob als Beutegut oder Geschenk, etwa als Hochzeitsgabe oder zur Erlangung eines »diplomatischen« Ziels. Vielleicht sind die keltischen Goldmünzen von Brandenburg auf diese Weise in die ostelbische germanische Siedlung gelangt, wo sie vom Beschenkten wohl verwahrt wurden.
Bleibt die Frage nach dem einstigen Wert der Münzen. Da keltische und germanische Schriftquellen fehlen, ist diese Frage konkret und seriös nicht zu beantworten. Von erheblichem Wert war der Schatz aber allemal. Und dürfte heute unbezifferbar sein.
Ihre namensgebende Form als »Schüsselchen« erhielten die kleinen Metallstücke durch ihre Formgebung. Der Bezug auf den Regenbogen leitet sich aus dem Volksglauben ab. Nach einem Regen leuchteten die kleinen Goldstücke blank gewaschen auf der Ackeroberfläche. Und da besonders Exemplare ohne Einprägungen oder Inschriften von glücklichen Findern in früheren Jahrhunderten nicht ohne Weiteres als Münzen erkannt werden konnten, galten sie als vom Regenbogen abgetropft, als Glücksbringer auf die Erde gefallen – also »Regenbogenschüsselchen«.

Es bleiben noch einige Geheimnisse, bis dieser neue Münzschatz für die Wissenschaftler geknackt ist. Im Frühjahr 2022 möchte das Archäologische Landesmuseum in Brandenburg den Fund in einer Ausstellung der Öffentlichkeit präsentieren. Vielleicht hat sich dann der Nebel über der Odyssee der »Regenbogenschüsselchen« wieder ein Stück weiter gelichtet. Der Exposition wird jedenfalls Erfolg sicher sein.

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