Donald Trump ist im Herzen ein Baumeister

US-Präsident Donald Trump ist ein Multitalent, glaubt Thomas Blum

Donald Trump, 47. Präsident der Vereinigten Staaten
Donald Trump, 47. Präsident der Vereinigten Staaten

Der gegenwärtige Präsident der USA, Donald Trump, ist, nimmt man seine Selbsteinschätzung zum Maßstab (den entscheidenden Maßstab, den er zu haben scheint), ein erstaunliches Multitalent. Bisher hat er sich zwar vor allem als Geschäftsmann, Fernsehstar, Staatsmann, Schriftsteller (»Warum wir wollen, dass Sie reich werden«) und Frauen-Experte (»Grab ’em by the pussy«) hervorgetan. Doch auch als Rhetoriker und Philosoph hat er eine außergewöhnliche Begabung: Weil er mit dem Wortschatz und der Sprache eines Zweitklässlers gesegnet ist, gelingt es ihm wie kaum einem anderen, auch komplexe Zusammenhänge einfach und verständlich zu vermitteln. Doch er hat selbstverständlich noch weit mehr Fähigkeiten, die in ihm schlummern.

Die Stabschefin des Weißen Hauses etwa, Susie Wiles, teilte kürzlich mit, Trump sei »im Herzen ein Baumeister« und habe »ein außergewöhnliches Auge für Details«. Der US-Präsident ist demnach auch Architekturkenner und Fachmann auf dem Gebiet des Interior Design. Was ästhetische Gestaltung und gelungene Formgebung angeht, hat er im Weißen Haus schon erste mutige Schritte unternommen. Besonders wichtig ist dem passionierten Raumgestalter Trump dabei die Anmut und Schönheit eines Gebäudes oder Zimmers: So hat er beispielsweise im Oval Office, seinem derzeitigen Arbeitszimmer, »goldene Deko-Elemente und Engelchen anbringen lassen«, wie aus der Wochenzeitung »Die Zeit« zu erfahren ist. »Auf dem Kaminsims stehen nun goldene Vasen und Figürchen, auf einem Beistelltisch liegt ein wuchtiger goldener Briefbeschwerer mit dem Aufdruck ›TRUMP‹, natürlich in Versalien«, teilt wiederum die »Berliner Morgenpost« mit. Über den Türen seien, so ist dort auch zu lesen, »goldene Engelsfigürchen« platziert worden. Auch an Rokoko-Spiegeln herrscht kein Mangel. Darüber hinaus wurden »zwei große Flaggenmasten im Garten aufgestellt und der einstige Rasen (...) ist mittlerweile fast komplett mit Steinplatten bedeckt worden« (»Die Zeit«). Goldene Deko-Elemente, goldene Vasen und Engelsfigürchen, goldene Briefbeschwerer, (goldene?) Flaggenmasten: Tja. Gekonnt ist gekonnt. So viel ästhetische Urteilskraft und Geschmack hat nicht jeder. Da können Mies van der Rohe, Tadao Ando, John Pawson und die anderen Architektur-Langweiler sich mal eine Scheibe abschneiden.

Die gute Kolumne

Thomas Blum ist grundsätzlich nicht einverstanden mit der herrschenden sogenannten Realität. Vorerst wird er sie nicht ändern können, aber er kann sie zurechtweisen, sie ermahnen oder ihr, wenn es nötig wird, auch mal eins überziehen. Damit das Schlechte den Rückzug antritt. Wir sind mit seinem Kampf gegen die Realität solidarisch. Daher erscheint fortan montags an dieser Stelle »Die gute Kolumne«. Nur die beste Qualität für die besten Leser*innen! Die gesammelten Texte sind zu finden unter: dasnd.de/diegute

Demnächst sollen ja außerdem Bauarbeiten am Ostflügel des Weißen Hauses beginnen, wo der US-Präsident einen gewaltigen »Goldenen Ballsaal« für 650 Gäste errichten lassen möchte. In der »Zeit« heißt es: »Die Innenausstattung soll sich an Trumps Anwesen Mar-a-Lago in Florida orientieren, mit opulenten Lüstern und vergoldeten Elementen.« Man darf also pompösen Hardcore-Kitsch erster Kajüte erwarten. Die am Computer erstellten »Visualisierungen«, die zeigen, wie der »Ballsaal« nach seiner Fertigstellung aussehen soll, wecken jedenfalls beim Betrachter den spontanen Wunsch, blind zu sein. Man hat den Eindruck, der Saal mit seinen Säulen und Bogenfenstern sei von einem … wie sagt man das am besten? – ästhetisch herausgeforderten größenwahnsinnigen Monarchen entworfen worden, der die letzten 250 Jahre im Kälteschlaf zugebracht hat und gerade erst wieder aufgetaut wurde. Trump: »Es wird wunderschön.«

Anders gesagt: Es wird ein architektonisches und innenausstatterisches Großdesaster, das die nach oben offene Skala der Geschmacklosigkeit sprengen dürfte. Wie bei einem verheerenden Verkehrsunfall: Man kann eigentlich nicht hinsehen, weil es nicht zu ertragen ist, und dennoch verspürt man den inneren Zwang, den Blick darauf zu richten, weil man mit stockendem Atem das ganze Ausmaß des Schreckens ermessen will. Der geplante »Ballsaal«, in Auftrag gegeben bei James McCrery, einem Architekten, der als katholischer Fundamentalist bekannt ist, ist ein neoklassizistischer Albtraum mit einer Einrichtung zum Davonlaufen. McCrery hat bislang überwiegend »katholische Kirchen und Studentenzentren auf Universitätsgeländen entworfen und dadurch unzähligen jungen Menschen durch die Schönheit ihrer Umgebung einen Zugang zum Göttlichen eröffnet« (Catholic News Agency). Der eine oder die andere kennt derlei gigantische Bau-Katastrophen bereits von Illustriertenfotos, die die Fassaden und das Innere der Villen osteuropäischer Oligarchen zeigen, deren einzige ästhetische Kategorie gewesen zu sein scheint: »Viel hilft viel.« Ein Stilmischmasch aus Disney-Märchenschloss, Pseudo-Barock-Edelkitsch-Herrenhaus und Diktatorenpalast.

Im Ballsaal des Weißen Hauses wird’s aussehen wie in den Bling-Bling-Ramsch- und Kitschgeschäften, die man auf der Neuköllner Sonnenallee findet.

Im Inneren des Ballsaals des Weißen Hauses wird’s aussehen wie in den Bling-Bling-Ramsch- und Kitschgeschäften, die man auf der Neuköllner Sonnenallee findet und in denen Friseurspiegel, deren barocker Rahmen dick mit Goldfarbe bestrichen wurde, und müllcontainergroße Kronleuchter (»opulente Lüster«) feilgeboten werden. An den Wänden goldgerahmte Ölschinken, auf denen rauschende Wälder und windumtoste Berggipfel zu sehen sind; über den Raum verteilt gold- und silberfarbener Nippes in rauen Mengen. Auch an bleischweren Vorhängen und Tischtüchern mit Borten mit Quasten und Troddeln und anderen Zierapplikationen in den Farbvarianten Silber, Gold, Altgold, Altrosa und Schlammbraun wird wohl nicht gespart werden.

Ich bin mir nicht sicher, ob in einer besseren Zukunft nicht unschuldige Menschen von einem solchen Anblick verschont werden sollten.

Sicher ist jedenfalls: Die Menschen, die sich irgendwann in der Zukunft in diesem Saal werden aufhalten müssen, haben diese Art von Bestrafung gewiss verdient.

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