Flüchtlinge aus winterlichen Sümpfen befreien

Landtagsabgeordnete Johlige wünscht die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem belarussisch-polnischen Grenzgebiet

  • Wilfried Neiße, Potsdam
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit der Forderung, Deutschland insgesamt und speziell auch Brandenburg mögen die verbliebenen Flüchtlinge an der Ostgrenze Polens evakuieren und aufnehmen, wendet sich die märkische Linksfraktion an die rot-schwarz-grüne Landesregierung. Die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (Linke) sprach von 1400 Menschen, die derzeit noch in den Sumpf- und Waldgebieten des polnisch-belarussischen Grenzgebietes umherirren. Die Politikerin war am Sonntag von einer Reise in diese Gegend zurückgekehrt.

Johlige schilderte die Umstände, unter denen die Menschen dort leben müssten als katastrophal. Die Geflüchteten verteilen sich ihr zufolge auf ein unerschlossenes Gebiet von der Größe des Landkreises Barnim. Ihnen friere die Kleidung am Leibe. Polen treibe sie nach Belarus, Belarus treibe sie nach Polen. Johlige forderte die Landesregierung und insbesondere Innenminister Michael Stübgen (CDU) auf, zumindest im Winter die Praxis der Rückführung bis nach Brandenburg durchgedrungener Flüchtlinge nach Polen einzustellen. Wie viele Betroffene Brandenburg bisher nach Polen zurückschickte? Das sei derzeit unklar, sagte Johlige. Sie gehe von Fällen aus, die unbekannt geblieben sind. Johlige zufolge sind im vergangenen Jahr etwa 11 000 Menschen via Belarus und Polen nach Brandenburg eingewandert, laut Innenminister Stübgen waren es 6544.

CDU und Freie Wähler winken ab

Bei SPD, CDU und Freien Wählern stieß die Politikerin mit ihrer Forderung auf wenig oder gar kein Verständnis. Man müsse schauen und diskutieren, »in welchem Rahmen man da unterstützt«, sagte SPD-Fraktionschef Daniel Keller. Da es sich um eine polnische Grenze handle, sei das aber Sache Polens. »Wir sollten da Zurückhaltung üben«.

Für die Freien Wähler betonte Fraktionschef Péter Vida den humanistischen Ansatz seiner Partei. Doch befürworte er nicht, dass Deutschland oder Brandenburg »aktiv auf die Suche gehen« nach Flüchtlingen in Polen. Er wolle auch nicht eine »Fluchtbewegung noch befördern«. Es dürfe nicht sein, dass man die Flüchtlinge »auch noch abholt.« Das politische Verhalten Deutschlands dürfe nicht dazu führen, dass die Politik des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko auch noch honoriert werde.

Es sei so, »dass man diese Menschen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen nach Weißrussland gelockt« habe, sagte CDU-Fraktionschef Jan Redmann. Die Täuschung habe darin bestanden, dass man sie mit der Annahme geködert habe, sie könnten über Belarus »ohne weiteres nach Deutschland einreisen«. Aus diesem Grunde handele es sich bei den Flüchtlingen in der genannten Region um »Opfer des Systems Lukaschenko«, sagte Redmann.

Er pochte auf das Dublin-Abkommen, demzufolge derjenige Staat für das Asyl zuständig ist, in dem der Geflüchtete zuerst den Boden der EU betreten hat. Dort müsse geprüft werden, ob und auf welchen Schutzstatus der jeweilige Mensch Anspruch habe, so Redmann. »Das ist in diesem Fall Polen.« Es gebe für Deutschland und Brandenburg keine Veranlassung, von dieser Regel abzuweichen. Flüchtlinge hätten Anspruch auf Schutz und Versorgung, aber nicht darauf, dass sie dies in einem von ihnen selbst ausgewählten Land erhalten.

Der Abgeordneten Johlige zufolge werden die Geflüchteten in Polen jedoch nicht so versorgt, wie es sein müsste. Polen sperre die Menschen in Lager, ohne medizinische Betreuung und oft auf Militärgelände. So lange das so sei, müsse Deutschland auf die Einhaltung der europäischen Vereinbarungen drängen.

Grüne sammeln Schlafsäcke

Umfassende Unterstützung erfährt die Linke einzig bei den Grünen. »Wir finden die Situation unerträglich«, sagte Fraktionschefin Petra Budke. Ihre Partei trete dafür ein, »das weiterhin Gespräche geführt und Druck auf Polen ausgeübt wird«. Es sei sicherzustellen, dass sich die EU-Mitgliedstaaten an die Vereinbarungen halten. Was sich derzeit bei winterlichen Temperaturen an der Ostgrenze Polens abspiele, sei eine humanitäre Katastrophe. »Es ist dringend notwendig, dass Hilfe zu den Menschen gelangt.« Budke verwies auf Unterstützung, organisiert von Grünen aus der Uckermark und aus Frankfurt (Oder), die Kleidung und Schlafsäcke für die Flüchtlinge sammeln.

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