Mattarella lässt sich erweichen

Italiens Präsident stellt sich für zweite Amtszeit zur Verfügung und wird gewählt

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Er fühle sich von der Wiederwahl sehr geehrt und nehme die Wahl aus Verantwortung vor dem Amt und dem Land an, erklärte Sergio Mattarella am Samstagabend nach Auszählung des achten Urnengangs. Mehr als 75 Prozent der 1009 Abgeordneten, Senatoren und Delegierten aus den Regionen hatten für eine Wiederwahl des amtierenden Präsidenten gestimmt. Nur die postfaschistischen Fratelli d’Italia und einige weitere rechtspopulistische Abgeordnete hatten gegen eine Wiederwahl gestimmt. Mit 759 Stimmen erreichte Mattarella das zweitbeste Ergebnis bei einer italienischen Präsidentenwahl überhaupt. Nur Sandro Pertini bekam 1978 mit 832 Stimmen mehr Zuspruch.

In seiner Erklärung dankte Sergio Mattarella allen Parlamentariern und Delegierten aus den Regionen für das ausgesprochene Vertrauen. »In diesen schwierigen Tagen der gesundheitlichen wie auch der wirtschaftlichen und sozialen Krise unseres Landes folge ich dem Ruf der Verantwortung, mich den Pflichten zu stellen und persönliche Pläne zurückzustellen«, erklärte Mattarella in seiner Ansprache unmittelbar nach Annahme der Wahl. Theoretisch würde der wiedergewählte Präsident nun für sieben weitere Jahre seinen Amtssitz im Quirinalspalast einnehmen. Doch wie sein Vorgänger Giorgio Napolitano, der 2015 aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem Amt schied, könnte sich auch Mattarella vor Ende der geplanten Frist zurückziehen.

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Gegenwärtig jedoch stabilisiert die jetzt erfolgte Wiederwahl die Lage im Belpaese. Regierungschef Mario Draghi, der noch am Tag des siebten und achten Urnengangs Mattarella gedrängt hatte, im Amt zu bleiben, dürfte nun ruhig bis zum Ende der Legislaturperiode 2023 weiter regieren können.

Von politischem Vorteil könnte dabei sein, dass Draghi selbst während der vergangenen Tage der Pattsituationen im Wahlgeschehen selbst nie deutlich den Hut in den Ring geworfen hatte und somit auch nicht als »verbrannte Personalie« gilt. Bislang hatte der frühere EZB-Chef jedenfalls bewiesen, dass er seine breit gefächerte Koalition von Lega bis hin zu den Linken LeU verantwortungsvoll steuern konnte.

So verwundert es nicht, dass das nun erzielte Wahlergebnis auf entsprechend positives Echo in Brüssel, Paris und Berlin stieß. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gratulierte zur Wiederwahl und versicherte Mattarella, dass »Italien stets mit der EU rechnen kann«. Der französische Präsident Emmanuel Macron erklärte seine Freude über die Wiederwahl Mattarellas und betonte die enge Freundschaft zwischen beiden Ländern zur Stärkung der Europäischen Union. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nannte den Wahlausgang eine »gute Nachricht für alle Italienerinnen und Italiener«. Doch war hinter all den Glückwünschen die Erleichterung zu spüren, dass Kontinuität die italienische Politik der kommenden Monate bestimmen soll.

Die Konsolidierung der bestehenden Regierungs- und Machtverhältnisse in Rom waren gleichzeitig ein schwerer Schlag gegen das Mitte-rechts-Bündnis aus Lega, Fratelli d’Italia und Forza Italia. Nicht nur, dass der ursprünglich aufgestellte Kandidat Silvio Berlusconi sich urplötzlich von der Bildfläche zurückgezogen hatte. Auch die danach vorgeschlagenen Kandidaten, die Senatspräsidentin Elisabetta Casellati und der frühere Parlamentspräsident Pier Ferdinando Casini (UDC, Zentrum), erlangten nicht ein Mindestmaß an Zustimmung der Mandatsträger.

FdI-Chefin Giorgia Meloni zog am Ende des Wahlabends die bittere Konsequenz: »Die Mitte-rechts-Koalition existiert nicht mehr und muss sich nun erst neu finden.« Die Enttäuschung war unverhohlen. Immerhin hatten die rechten Kräfte mit einer Destabilisierung gerechnet, sollte etwa Draghi zum neuen Staatsoberhaupt gewählt werden. Nun muss das Gespann Mattarella-Draghi beweisen, dass es Italien weiter stabilisieren kann.

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