Hölzern, aber selten

In Lichtenberg ist die siebte von neun Berliner Kita-Neubauten aus Holz übergeben worden - das Senatsprojekt wird nicht fortgeführt

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 4 Min.
Die neue Holzmodulbau-Kita in Lichtenberg.
Die neue Holzmodulbau-Kita in Lichtenberg.

An Bekenntnissen, wie sehr man sich freue, mangelt es nicht, als am Freitag die neue Kita des landeseigenen Kita-Betriebs Kindergärten NordOst an der Harnackstraße in Lichtenberg feierlich eröffnet wird. Jugendstaatssekretär Aziz Bozkurt (SPD) lobt »diesen schönen neuen Bau«. Berlins Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt (parteilos, für SPD) freut sich über die »wirklich sehr schöne neue Kita«. Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Linke) sagt: »Die Berliner haben ja die Angewohnheit, das Haar in der Suppe zu suchen. Aber das Kita-Ausbauprogramm der Stadt kann sich bundesweit sehen lassen.«

Der dreistöckige, eher funktional denn wirklich schön wirkende Bau aus vorgefertigten Holzmodulen bietet Platz für bis zu 136 Kinder. Errichtet wurde er im Rahmen des Projekts »Modulare Kita-Bauten für Berlin« (Mokib) im Verantwortungsbereich der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die wiederum von der Senatsjugendverwaltung damit beauftragt wurde. Eine genuine Baumaßnahme des Landes Berlin also. Kostenpunkt: 7,5 Millionen Euro, finanziert aus dem Landesprogramm Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt.

»Wir wissen es sehr zu schätzen, dass wir diese Kita geschenkt bekommen haben«, sagt Katrin Dorgeist, Geschäftsleiterin von Kindergärten NordOst. Wobei das Geschenk Berlin mit über 55 000 Euro pro Kitaplatz teurer zu stehen kommt als ursprünglich geplant. Beim Start des Mokib-Programms 2017 ging der Senat noch optimistisch von um die 30 000 Euro für einen Platz aus.

Mit hohen Erwartungen gestartet

Überhaupt ging bei dem seinerzeit als Kita-Schnellbau-Projekt gefeierten Programm einiges schief. »Einfach war der Weg nicht«, sagt dann auch Senatsbaudirektorin Kahlfeldt. Und schnell lief es auch nicht. Nicht nur an der Harnackstraße, wo, wie Geschäftsleiterin Dorgeist berichtet, zu den elf Monaten Bauzeit noch einmal acht Monate Wartezeit für ein Rohr kamen. Sondern auch generell.

Dabei waren die Erwartungen vor fünf Jahren hoch. 2018 sollte es losgehen mit dem Bau der Mokibs, 2019 sollten die ersten fertig sein. Bis zu 3300 neue Kitaplätze wollte man so schaffen. Die damalige Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) verkündete, dass man sich »weiter in einem Wettlauf mit den stark steigenden Kinderzahlen« befinde. »Um Schritt zu halten, müssen wir noch mal an Tempo zulegen.« Einen wesentlichen Beitrag hierzu sollten die Mokibs leisten. Anfang 2018, als Scheeres die ersten Wettbewerbsergebnisse des Projekts vorstellte, war die Rede von den »ersten 16 ausgewählten Standorten« - als würden noch viele weitere folgen. Der Bau von bis zu 30 neuen Kitas stand im Raum.

Aus Wunsch- wird Streichkonzert

Tatsächlich folgte erst mal gar nichts. Zwar hatten 30 Firmen Interesse an dem Auftrag angemeldet, keine davon mochte allerdings ein Angebot abgeben. Im Februar 2019 wurde die erste Ausschreibung ergebnislos beendet. »Das ist natürlich eine bittere Erfahrung«, sagt Petra Kahlfeldt heute über die Schlappe ihrer Amtsvorgängerin Regula Lüscher (parteilos). Gut ein halbes Jahr später versuchte sich Berlin schließlich an einem Neustart. Und, so Kahlfeldt: »Nach Wunschkonzert kommt Streichkonzert.«

Das Programm wurde verändert und massiv abgespeckt auf nun nur noch neun Mokibs. Aus einst 3300 Kitaplätzen wurden 1224, fertigzustellen bis 2022. Nun gab es auch Angebote, zwei Unternehmen bekamen den Zuschlag. Die Kita an der Harnackstraße ist dabei der siebte Berliner Mokib. Die beiden letzten sollen in nächster Zeit zu Ende gebaut und übergeben werden. Doch dann ist Schluss: Das Holzmodulbauten-Projekt verschwindet sang- und klanglos in der Schublade. »Danach konzentrieren wir uns auf den Ausbau der vorhandenen Kitas«, sagt Staatssekretär Aziz Bozkurt zu »nd«.

»Auch wenn es jetzt nur neun geworden sind, ist das Mokib-Projekt dennoch ein positives Signal«, sagt der baupolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, Andreas Otto, gegenüber »nd«. Er verfolgt das Thema Holzbau seit langem. Zur Pleite der ersten Ausschreibungsrunde sagt er: »Das hatte etwas mit dem Markt zu tun, aber auch mit der Ausschreibung.« Dabei sei seitens der hierfür verantwortlichen Stadtentwicklungsverwaltung schlicht »nicht alles richtig« gemacht worden. Die Vorgaben seien zu wenig auf die Möglichkeiten der auf Holzbau spezialisierten Unternehmen zugeschnitten gewesen, so der Grünen-Politiker: »Das ist Industrie und da muss man die Vorteile der industriellen Produktion nutzen, und das schon in der Ausschreibung. Da muss etwas mehr Freiheit rein.«

Grüne fordern Ausweitung des Holzbaus

Otto fordert ganz klar eine Ausweitung der Holzmodulbauten-Projekte in kommunaler Verantwortung, auch im Kita-Bereich: »Die Mokibs sind ein Anfang und das muss noch viel mehr werden. Was nicht sein darf, ist, dass im Kita-Bau Holz nun durch Beton ersetzt wird.«

Genau dazu könnte es freilich mit dem Ende des Mokib-Programms kommen. Im Koalitionsvertrag steht zwar, dass im Zuge der Schulbauoffensive des Senats der Holzbau verstärkt zum Einsatz kommen soll. Für das Kita-Ausbauprogramm fehlt der Zusatz allerdings. Und so könnte die »wirklich sehr schöne neue Kita« an der Harnackstraße eine von neun Ausnahmen in Berlin bleiben.

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