Dickschiffe im Doppelhaushalt

Senat einigt sich auf neue Eckwerte für die nächsten Haushaltsjahre - ein finaler Entwurf steht noch aus

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 4 Min.

Noch ist das mehrere Tausend Seiten schwere Zahlenwerk zum Berliner Doppelhaushalt 2022/2023 nicht in trockenen Tüchern. Der Senat hat sich am Dienstag aber immerhin bereits auf die Eckwerte geeinigt. »Dieser Haushalt bleibt eine Herausforderung«, sagte Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) im Anschluss an die Senatssitzung. Offenbar gibt es an manchen Ecken noch Klärungsbedarf. Nach Weseners Worten hat man den Senatsbeschluss zum Haushaltsplan nun erst mal auf kommenden Dienstag vertagt.

Wesener zufolge soll sich das Gesamtvolumen im Haushaltsjahr 2022 auf 36,5 Milliarden Euro und im Jahr darauf auf 36,7 Milliarden Euro belaufen. »Das ist eine Hausnummer, die Berlin so noch nicht erreicht hat«, sagte der Grünen-Politiker, wobei er vor allem 2019, das Jahr vor der Coronakrise, im Blick hatte. Damals betrug das Volumen 30,7 Milliarden Euro. Danach schnellte es coronabedingt auf über 40 Milliarden Euro hoch. Folgt man Wesener, sei Berlin in dieser Hinsicht haushalterisch aber nun aus dem Allergröbsten raus. Auch wenn man »sicher noch nicht durch« sei mit der Pandemie: »Wir befinden uns in einem Übergang.«

Wenig überraschend dabei: Auch im neuen Doppelhaushalt wird von einem Finanzierungsdefizit in Höhe von fast drei Milliarden Euro im Jahr 2022 und rund 2,4 Milliarden Euro im Folgejahr ausgegangen. Ob es soweit kommt, sei dahingestellt. Auch für 2021 hatte man die Differenz zwischen Ausgaben und Einnahmen im Vorfeld auf gut 3,8 Milliarden Euro geschätzt. Zuletzt fiel das Defizit dann mit rund 150 Millionen Euro überraschend niedrig aus, auch weil unter anderem die Steuereinnahmen stärker zugelegt hätten als erwartet. Darauf wies Wesener am Dienstag dann auch noch einmal hin. »Das erleichtert uns den Weg aus der Krise«, sagte er.

Überhaupt bemühte sich der Senator darum, Zuversicht zu verbreiten. »Wir können diese Differenz decken«, sagte Wesener zu den Milliardenlücken. Er denkt dabei an die Rücklagen, die Berlin gebildet habe. Zugleich stellte er klar, dass es bei der Haushaltsaufstellung in den vergangenen Woche seine Aufgabe gewesen sei, »dämpfend auf den Ausgabepfad einzuwirken«. Exorbitante Steigerungen der Investitionsausgaben wie in den Vorjahren seien daher nicht mehr drin. Dennoch seien im Bereich der Investitionen immer noch rund vier Milliarden Euro eingeplant. »Wir haben hier Großes vor.«

Tatsächlich sind im Plan für beide Haushaltsjahre zusammen beispielsweise rund 563 Euro für die soziale Wohnraumförderung eingestellt, ebenso viel soll für die Krankenhausfinanzierung ausgegeben werden, über 1,4 Milliarden Euro sind als Ausgaben im Rahmen der Berliner Schulbauoffensive vorgesehen - die damit weiterhin zu den »Dickschiffen« des Haushalts gehört, wie Wegner es formulierte.

Es sind nicht die ersten Eckwerte zum Doppelhaushalt 2022/2023, die von der Finanzverwaltung präsentiert werden. Bereits im Dezember 2020 hatte der Senat eine entsprechende Vorlage von Weseners Amtsvorgänger Matthias Kollatz (SPD) abgesegnet. Im Juni vergangenen Jahres folgte schließlich ein erster Haushaltsentwurf. Kollatz schwärmte seinerzeit mit Blick auf die Berliner Wirtschaftsleistung von einer »Erfolgsstory«, die es mittels Investitionen fortzuschreiben gelte.

Gegenüber dem Erstentwurf fällt auf, dass in Weseners neuen Eckdaten sowohl auf der Einahmen- als auch auf der Ausgabenseite nachgesteuert wurde. So sind als Investitionsausgaben für 2022 nun rund 600 Millionen Euro mehr eingeplant als ursprünglich geplant. Stärker noch fällt der Ausschlag bei den konsumtiven Sachausgaben aus. Für das laufende Jahr sind hier fast 19,9 Milliarden Euro eingepreist, im Juni 2021 ging man von 18,2 Milliarden aus.

Klar war freilich schon damals, dass es aus Kollatz’ Entwurf im Laufe des vergangenen Jahres kein Gesetz mehr werden wird. Schließlich wird das Mammutwerk vom Abgeordnetenhaus beschlossen - und das hatte sich wenige Wochen nach der Vorstellung des Entwurfs in den Wahlkampf geworfen. Nun also der Neustart, mit der die seit Anfang des Jahres geltende sogenannte vorläufige Haushaltswirtschaft beendet werden soll.

Völlig konfliktfrei dürften die Verhandlungen um den aktuellen Entwurf für den Doppelhaushalt indes auch jetzt nicht gelaufen sein. So hatten erst am Montag acht Bezirksbürgermeisterinnen und -bürgermeister einen Appell an den Senat gerichtet, »die langjährige strukturelle Unterfinanzierung der Bezirke« nicht »erneut« zu verschärfen. Die Rede war von Vorgaben an die Bezirke, »weitere 78 Millionen Euro einzusparen«. Erinnert wird dabei nicht zuletzt an die Zeiten von Finanzsenator Thilo Sarrazin (damals SPD) und die Parole »Sparen, bis es quietscht«.

Finanzsenator Wesener wollte das so nicht stehen lassen. Insgesamt werde den Bezirken nicht nur mehr Geld als zuvor zugewiesen. Auch müssten die genannten Einsparungen ja »nicht ad hoc« erbracht werden, »sondern bis zum Ende des Jahres«. Dazu könnten auch die in den Bezirken angehäuften Überschüsse eingesetzt werden.

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