• Politik
  • AfD und der Verfassungsschutz

Bloß keine V-Leute einsetzen

Politikwissenschaftler Michael Lühmann fordert einen Ausschluss der AfD aus der Parteienfinanzierung

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf die gesamte AfD künftig als Verdachtsfall behandeln, hat das Kölner Verwaltungsgericht entschieden. Wie bewerten Sie dieses Urteil?
Es handelt sich um eine längst überfällige Entscheidung. Seit Jahren ist klar, dass die AfD sich immer weiter radikalisiert und im Prinzip steht sie - Stichwort Islamhass - seit vielen Jahren auch programmatisch im Widerspruch zu dem, was man wohl freiheitlich-demokratische Grundordnung nennen würde. Dass die AfD nun endlich komplett beobachtet wird, vollzieht mit vielen Jahren Verzögerung nach, dass die Partei im Kern seit Beginn ein verfassungsfeindliches Projekt verfolgte. Schon die Wahlalternative als Vorläuferorganisation suchte unter Duldung und Förderung des früheren Parteivorsitzenden Bernd Lucke die Nähe zur Neuen Rechten.

Eine Niederlage muss der Verfassungsschutz dagegen bei seiner Einschätzung zum formal aufgelösten völkischen Flügel hinnehmen. Dieser gilt jetzt nicht mehr als erwiesen rechtsextremistisch sondern nur noch als Verdachtsfall. Was halten Sie davon?
Die Entscheidung zum Flügel ist juristisch nachvollziehbar, wenn man buchstabengetreu der formalen Auflösung des Flügels folgen mag. De facto aber ist passiert, was sein wichtigster Vertreter Björn Höcke angekündigte, als er von der Historisierung des Flügels sprach. Er hat die Partei längst überwölbt und seine Mission damit erfüllt. Am Ende konnte sich selbst das letzte Feigenblatt der AfD, Jörg Meuthen, der den Flügel lange protegierte, nicht gegen dessen Machtansprüche durchsetzen.

Interview
Michael Lühmann ist Politikwissenschaftler am Göttinger Institut für Demokratieforschung mit Schwerpunkt Rechtsextremismus, Antifaschismus und politischer Kultur in Ostdeutschland. nd-Redakteur Robert D. Meyer sprach mit ihm über mögliche Folgen aus den Urteilen des Kölner Verwaltungsgerichts zur Überwachung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. 

Trotz des Urteils darf das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD noch nicht sofort mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwachen, weil das Gericht noch formal über zwei Eilanträge entscheiden muss. Es hat aber bereits signalisiert, dass dies seine Entscheidung nicht revidieren wird. Ist eine künftige Überwachung der Gesamtpartei AfD ein Grund zur Freude?
Kritisch betrachten muss man die Beobachtung vor allem deshalb, weil ja bekannt ist, dass Beobachtung auch Einsatz von V-Leuten bedeutet. Damit finanziert man letztlich mit staatlichen Mitteln den parlamentarischen Arm des rechten Terrors und man gefährdet, analog zum ersten NPD-Verbotsverfahren, womöglich den Erfolg eines eigentlich jetzt schon notwendigen und meines Erachtens nach möglichen Verbotsverfahrens gegen die AfD.

Welche Maßnahmen wären dann aus Ihrer Sicht sinnvoller?
Wichtiger als die Beobachtung der AfD wäre eine schnelle Initiative zu einem Ausschluss aus der Parteienfinanzierung. Am Ende würde dies auch das Aus für Gelder an die parteinahe Desiderius-Erasmus-Stiftung bedeuten. Die Anforderungen dazu liegen klar auf dem Tisch und sind - anders als ein echtes Verbotsverfahren - nicht an die Umsetzbarkeit der völkischen Ideen durch die AfD gebunden. Nach Jahren des rechten Terrors und immer wieder auftauchenden Verbindungen zur AfD sollte dringend geprüft werden, ob de facto auch Opfer rechten Terrors mit ihren Steuern die Partei finanzieren müssen. Ich halte diesen Gedanken für unerträglich.

Könnte eine Überwachung der AfD auf diesem Weg hilfreich sein?
Für mögliche weitreichende juristische Schritte bräuchte es bei weitem nicht die Beobachtung und Sammlung durch den Verfassungsschutz. Journalismus, Wissenschaft und Zivilgesellschaft sowie antifaschistische Recherchezusammenhänge haben längst genug Material gegen die AfD gesammelt. Anders als der Verfassungsschutz haben diesen Gruppen sich nicht jahrelang davon blenden lassen, dass Leute wie Meuthen das Feigenblatt für ein völkisches, demokratiegefährdendes Projekt wie die AfD abgegeben haben.

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