Russland auf Ramschniveau

Ratingagenturen werten das Land wegen Sanktionen massiv ab

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Menschen stehen in Moskau an einem Geldautomaten an.
Menschen stehen in Moskau an einem Geldautomaten an.

Die Sanktionen des Westens gegen Russland zeigen auch im Finanzbereich Wirkung. Fitch warnte am Dienstag bereits vor einem unmittelbar drohenden Zahlungsausfall. Zuvor hatte die Ratingagentur ihre Bewertung der russischen Bonität um sechs Stufen auf »C« abgesenkt. Damit befindet sich die Bonitätsnote nur noch einen Rang über »D«, also dem Zahlungsausfall. Auch die beiden anderen großen Ratingagenturen Moody’s und S&P sehen Russlands Kreditwürdigkeit inzwischen im sogenannten Ramschbereich.

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Für Banken und Anleger sind dies schlechte Nachrichten. So hatte am Donnerstag beispielsweise eine Anleihe der Russischen Föderation, die an der Börse Stuttgart gehandelt wird, gegenüber dem Vorkriegsniveau 41 Prozent ihres Wertes verloren. Und der Kurs dürfte noch weiter fallen. Dieser zahlenmäßige Verlust wird allerdings für Investoren nur dann bare Wirklichkeit, wenn sie ihre Anteile veräußern – und zuvor einen Kaufwilligen finden. Die im Jahr 2013 aufgelegte Anleihe ist nämlich erst im Jahr 2028 fällig. Dann müsste Russland das geliehene Geld eigentlich vollständig zurückzahlen.

Anders sieht es bei den Zinsen aus. Mit 7,05 Prozent ist die Anleihe für deren Käufer überdurchschnittlich lukrativ. Die Zinsen werden regelmäßig halbjährlich fällig. Hier drohen jedoch Investoren – die meisten dürften aus Italien, Frankreich, Österreich und Russland selbst kommen – zeitnah handfeste Enttäuschungen, wenn die russische Regierung ihre Zinszahlungen aussetzt.

Die Rückzahlung einer Anleihe wird erstmals nach Kriegsbeginn laut der Nachrichtenagentur Bloomberg am 4. April fällig. Im Feuer stehen zwei Milliarden US-Dollar. Fachleute sehen zumindest in diesem zeitnahen Fall einen Zahlungsausfall als wahrscheinlichstes Szenario an. Das hieße, Russland begleicht als Reaktion auf die überraschend harten westlichen Sanktionen seine Schulden nicht. Solche Gegensanktionen hat die Regierung in Moskau in anderen Bereichen bereits ergriffen, so wurde die Aus- und Einfuhr bestimmter Produkte und Rohstoffe beschränkt.

Da die beiderseitigen Sanktionen verhindern, dass Russland die für Coupons und Tilgungen fälligen Gelder an westliche Investoren überweisen kann, droht ein »technischer Zahlungsausfall«. Wladimir Putins Reich wäre dann pleite wie beispielsweise Argentinien: Das Land kommt seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber ausländischen Gläubigern nicht mehr nach.

Die Finanzmärkte haben auf dieses Risiko bisher gelassen reagiert. Anleihen- und Aktienmärkte und sogar Energie- und Rohstoffbörsen scheinen sich zu beruhigen. Das liegt auch an der geringen Bedeutung der russischen Auslandsschulden für die globalen Geldgeschäfte. Der Wert der auf Dollar oder Euro lautenden Staatsanleihen Russlands beläuft sich insgesamt gerade einmal auf 49 Milliarden US-Dollar. Aus Sicht der Finanzprofis ist das eine kleine Summe.

Anders als während der Staatspleite im Jahr 1998 verfügt die Regierung in Moskau über üppige finanzielle Reserven und hat kaum Schulden. So hält die russische Zentralbank laut der deutschen Außenhandelsorganisation GTAI 475,5 Milliarden US-Dollar an Währungsreserven.

Die Staatsverschuldung ist für westeuropäische Maßstäbe mit rund 18 Prozent des Bruttoinlandproduktes sogar beispielhaft niedrig. Zum Vergleich: In Deutschland belief sich der Schuldenstand 2020 auf 68,7 Prozent. Außerdem füllt der Verkauf von Öl und Gas weiterhin die Kassen der russischen Energiekonzerne Gazprom, Lukoil und Rosneft. Über Konzessionsabgaben und Steuern verdient der Staat saftig mit. Ein Staatsbankrott – wie wiederholt im hoch verschuldeten Argentinien passiert – ist daher nicht zu erwarten, da Russland finanziell eigentlich gut dasteht.

So gilt der russische Haushalt ab einem Preis von etwa 70 US-Dollar je Ölfass als ausgeglichen. Aktuell liegt der Preis wegen Marktturbulenzen aufgrund des Ukraine-Kriegs bei deutlich über 100 Dollar. Moskaus Kassen klingeln also. »Der russische Bär besitzt genügend finanzielles Fett, um einen verlängerten Winterschlaf zu überstehen«, schreibt der ehemalige Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Rudolf Adam, in einem Zeitungsbeitrag. Adams Fazit: Der Westen werde sich mit Russland verständigen müssen.

Durch die Finanzsanktionen von EU, USA und Japan, denen sich die Finanzzentren Schweiz und Singapur haben angeschlossen haben, ist der russische Staat jedoch von einem Teil seiner angehäuften Devisenreserven abgeschnitten. Da Präsident Putin und seine Berater selbstverständlich mit Sanktionen rechnen mussten, dürften diese weit überwiegend im heimischen Bankensystem geparkt sein sowie auf Konten »befreundeter« Staaten liegen, die sich den Sanktionen nicht angeschlossen haben, wie das Nato-Land Türkei und Serbien, Indien und vor allem China. Seine Devisen wird Russland mittelfristig benötigen, um beispielsweise Ersatzteile für Maschinen, Lebensmittel oder pharmazeutische Produkte im Ausland zu kaufen.

Die größte aktuelle Gefahr für die Finanzstabilität Russlands schlummert wohl im Inland. Um den Abfluss von Dollar und Euro zu verhindern, haben Putin und die russische Zentralbank Gegenmaßnahmen ergriffen. Vollständig abgeschottet hat sich das Land aber nicht. So können Firmen umgerechnet bis zu 10 000 US-Dollar täglich in Fremdwährung ins Ausland überweisen, um Rechnungen zu begleichen.

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