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Der krude Stolz, Chauvinist zu sein

Carl Kinsky entlarvt die »Proud Boys« als eine extrem rechte, ultranationalistische Bewegung

  • Ernst Reuß
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Sturm auf das Kapitol in Washington durch Anhänger des vor über einem Jahr abgewählten US-Präsidenten Donald Trump ist noch allgegenwärtig. Inmitten des Mobs, der ein Symbol westlicher Demokratie schlechthin attackierte, befanden sich Mitglieder der »Proud Boys«. In seinem neuen Buch analysiert Carl Kinsky diese noch junge, extrem reaktionäre, rechte nationalistische Bewegung, schaut auf deren Vorläufer und erklärt, wie es zur Entstehung dieser Formierung kommen konnte.

Der Autor registriert ein zutiefst gespaltenes Volk, das von einem selbstverliebten Immobilienunternehmer und populistischen Politiker aufgehetzt und entzweit worden ist. Dass dies gelingen konnte, liegt vor allem an den sozialen Verwerfungen in den USA. Die »Proud Boys« sehen jedoch nicht die sich verschärfenden Klassenwidersprüche, die weiter wachsende Kluft zwischen Arm und Reich als hierfür verantwortlich an. Sie machen selbstbewusste, berufstätige und durchaus auch Karriere anstrebende Frauen verantwortlich, die ihrer Meinung nach gegen die »natürliche Ordnung der Dinge« verstoßen. Aber auch Männer, die zu »weich« und nicht »männlich genug« seien.

Die »Proud Boys« sind eine »gewaltorientierte Männergemeinschaft«, eine »Bruderschaft zur Wiedererlangung der authentischen Männlichkeit«, konstatiert der Politikwissenschaftler. Sie verfolgen ein »klassisches Männerbild«: »Der Mann als Patriarch im Haushalt, der den Ton angibt; die Frau soll Hausfrau bleiben und sich dem Mann unterordnen.« Pornografie und Masturbation sind verpönt, zur Befriedigung der Triebe gibt es die »Proud Boys Girls«. Das Motto der »Proud Boys« lautet: »Arbeiten, kämpfen, ficken«.

Der 2016 vom Mitbegründer des Online- und Print-Magazins »Vice« Gavin McInnes ins Leben gerufene Männerbund nahm einen rasanten Aufstieg von einem Männerstammtisch in New York zu einem bundesweit aufgestellten Netzwerk mit Kontakten ins politische Umfeld von Trump, der sie frühzeitig bat, »bereit zu sein«. Was dies hieß, wurde am 6. Januar 2021 offenbar, als sie dem Aufruf des Mannes, der seine Wahlniederlage bis heute nicht anerkennt, Folge leisteten und auf das Kapitol zumarschierten, um für ihr Idol »auf Teufel komm raus zu kämpfen«.

Mittlerweile sind die »Proud Boys« auch in anderen englischsprachigen Ländern wie Australien, Kanada und Großbritannien präsent. Die kanadische Regierung hat die Bruderschaft offiziell als terroristische Vereinigung eingestuft. Warum dies in den USA noch nicht geschehen ist und warum gegen den Anstifter der Kapitol-Erstürmung immer noch keine Anklage erhoben wurde, ist aus Kinskys Buch leider nicht zu erfahren. Ein Verbot scheint dem Autor kein wirksames Mittel zu deren Bekämpfung zu sein. Denn »die Mitglieder und deren Überzeugungen werden nicht verschwinden«, schreibt Kinsky. Er ist überzeugt: »Sie werden sich neue Möglichkeiten der Organisierung suchen.«

Die »Proud Boys« sind stolz auf ihre weiße Hautfarbe und bekennen offen, Chauvinisten zu sein. Der Feminismus wie überhaupt alle emanzipatorischen, egalitären Bewegungen und Initiativen sind ihnen suspekt. Es ist schier unglaublich, dass sie mit ihrer kruden rückwärtsgewandten Ideologie noch im 21. Jahrhundert Sympathisanten und stramme Mitglieder gewinnen.

Das Büchlein umfasst nicht einmal 100 Seiten. Mehr braucht es auch nicht, um die Absurdität und Gefährlichkeit solcher Bewegungen wie die der »Proud Boys« zu entlarven. Der letzte Satz ist eine Warnung, die der vernunftbegabte Teil der US-amerikanischen Politiker durchaus ernst nehmen sollte, was leider noch immer nicht in ausreichendem Maße geschieht: »Mit der zunehmenden Positionierung der Republikanischen Partei als Fundamentalopposition zur liberalen Demokratie droht ein Abgleiten von Teilen der Partei in offen faschistische Politik.«

Carl Kinsky: Proud Boys. Trumpismus und der Aufstieg ultranationalistischer Bruderschaften. Unrast-Verlag, 88 S., br., 7,80 €.

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