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Kredite erwürgen die Ukraine

Die Ukraine ist hoch verschuldet. Klaas Anders meint: Es ist höchste Zeit, dem Land die Schulden zu streichen

  • Klaas Anders
  • Lesedauer: 3 Min.

Der russische Einmarsch in die Ukraine traf das Land zu einem Zeitpunkt, an dem es durch die Pandemie und den andauernden Krieg im Osten des Landes finanziell in einer sehr schwierigen Lage steckte. Seit 2014 musste die Ukraine immer wieder große Kredite internationaler Finanzorganisationen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank und der Europäischen Kommission annehmen. Durch die korrupten Strukturen der ukrainischen Oligarchie fehlten der Ukraine ohnehin enorme Summen an Steuereinnahmen. Die gesamte Verschuldung der Ukraine (Stand 2020) belief sich auf 129 Milliarden US-Dollar. Die Gesamtverschuldung Landes entspricht etwa 78,8 Prozent das gesamte Bruttoinlandsprodukt. Allein im laufenden Jahr müssen davon voraussichtlich 6 bis 14 Milliarden US-Dollar zurückgezahlt werden.

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Durch den Krieg im Osten, die einhergehende ökonomische Krise und die folgende Pandemie konnte sich die Wirtschaft der Ukraine bis heute nicht erholen. Beim Aufbau der (sozialen) Infrastruktur nach 2014 waren die internationalen Geldgeber*innen kaum eine Hilfe, da etwa die Kredite des IWF an strikte Einsparungen im Wohlfahrtssektor gekoppelt waren. Um die enormen Schulden zu bewältigen, musste die Ukraine bereits vor Kriegsbeginn etwa 10 bis 15 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes nur für die Rückzahlung der Staatsschulden aufwenden.

Der Druck, diese internationalen Kredite zurückbezahlen, lässt auch inmitten des Kriegsgeschehens nicht nach. Bereits in den ersten zwei Monaten 2022 hat die Ukraine eine Summe von 698 Millionen US-Dollar an ausländische Kreditinstitute zurückbezahlt. Der Staat hat weiter nach Kriegsbeginn zugesagt, allen laufenden Verpflichtungen nachzukommen. Um diese finanziellen Anstrengungen zu meistern und gleichzeitig ihre Bürger*innen zu schützen und zu versorgen, muss die Ukraine stätig weiter neue Gelder akquirieren. So hat ihnen seit Beginn des Krieges der IWF Geldmittel in Form eines Notdarlehens in Höhe von 1,4 Milliarden US-Dollar gewährt. Zusätzlich stellte die Weltbank ein Finanzpaket von 723 Millionen bereit. Diese neuen Kredite kommen zu den bereits immensen Schulden des Landes hinzu. Allein, wenn jetzt die laufenden Rückzahlungen ausgesetzt werden, würden der Ukraine mehrere Milliarden für die laufenden Kosten zur Aufrechterhaltung elementarer Infrastruktur zur Verfügung stehen.

Bei der Forderung nach einem Schuldenerlass geht es allerdings nicht nur um eine kurzfristige Lösung. Irgendwann, wenn dieser Krieg hoffentlich enden wird, wird die Ukraine vor der Herausforderung stehen, die zerstörte Infrastruktur mühevoll wieder aufzubauen. Das kostet sehr viel Geld. Die Ukraine wird auf internationale Finanzmittel in einer nicht gekannten Größenordnung angewiesen sein. Um einen Wiederaufbau zu ermöglichen, müssen die Kreditrückzahlungen dringend ausgesetzt und die Schulden der Ukraine gestrichen werden. Dadurch können besonders einflussreiche Staaten wie Deutschland der Ukraine wirklich helfen. Gleichzeitig ist durch die einflussreiche Position der neoliberalen FDP in der aktuellen Bundesregierung eine solche Einflussnahme Deutschlands sehr unwahrscheinlich. Umso notwendiger ist also der Druck der parlamentarischen und außerparlamentarischen Linken. Durch die Befreiung der Ukraine von der internationalen Schuldenlast könnten nachhaltig bessere Lebensverhältnisse und damit verbunden innere Stabilität in der Ukraine geschaffen werden.

Klaas Anders ist Historiker mit Schwerpunkt Osteuropa. Er ist stellvertretender Landessprecher der Linkspartei in Bremen.
Klaas Anders ist Historiker mit Schwerpunkt Osteuropa. Er ist stellvertretender Landessprecher der Linkspartei in Bremen.

Die Forderung nach der Streichung von destruktiven Staatsschulden ist deshalb eine genuin linke Forderung, die die gesamte europäische Linke bereits im Kontext der Finanzkrise von 2008 besonders stark gemacht hat. Linke und progressive Parteien aus Ostmitteleuropa, Skandinavien und dem Baltikum haben diese Forderung, die auch von sozialen Bewegung und Gewerkschaften in der Ukraine erhoben wird, bereits aufgenommen. Die Partei Razem in Polen etwa fordert ergänzend, dass die Schulden der Ukraine von der Europäischen Zentralbank und anderen Gläubigern übernommen werden. Jetzt wäre es höchste Zeit, ihrem Beispiel zu folgen und auch in Deutschland über einen ukrainischen Schuldenschnitt und weitere Möglichkeiten der finanziellen Entlastung für die Ukraine zu sprechen.

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