Historischer Absturz der Linken

Ausgerechnet im Saarland, wo die Linke einst so erfolgreich war, scheitert sie bei der Landtagswahl krachend

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Festsaal des Saarbrücker Schlosses hatten sich die Genoss*innen am Sonntag versammelt, doch zum Feiern war ihnen nicht zumute. Ganz im Gegenteil: Als die ersten Zahlen über den Bildschirm flimmerten, herrschte blankes Entsetzen. Die Linke kam bei der Landtagswahl im Saarland nur auf 2,5 Prozent (Hochrechnung um 19.58 Uhr) und ist in der kommenden Legislaturperiode nicht mehr im Parlament vertreten. Ausgerechnet im Südwesten, wo die Partei einst im Vergleich zu anderen westdeutschen Bundesländern große Erfolge gefeiert hatte – im Jahr 2009 hatte sie 21,3 Prozent erreicht –, erlitt sie nun einen beispiellosen Absturz. Minus 10,3 Prozent gegenüber der letzten Wahl 2017: So drastische Verluste hatte es für Die Linke bei Landtags- und Bundestagswahlen noch nie gegeben.

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Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Immerhin aufmunternden Applaus gab es, als Spitzenkandidatin Barbara Spaniol die Bühne betrat. »Das ist ein Schlag. Das war vielleicht so nicht zu erwarten, es ist aber passiert«, rief sie den betretenen Genoss*innen im Festsaal zu. Es sei nicht gelungen, die Differenzen und Auseinandersetzungen beizulegen, so Spaniol: »Das ist eine lange Entwicklung, die zu diesem Ergebnis geführt hat, mit vielen Widrigkeiten.«

Über längere Zeit lief im Saarland zwischen Landeschef Thomas Lutze und dem langjährigen Fraktionsvorsitzenden Oskar Lafontaine ein innerparteilicher Kleinkrieg, auf dessen Höhepunkt der frühere SPD-Ministerpräsident vor gut einer Woche die Partei verlassen hatte. In einer Abschiedserklärung hatte das Urgestein noch einmal die bekannten Vorwürfe in den Raum gestellt: »Im Saarland ließ die Bundespartei seit Jahren zu, dass ein Betrugssystem installiert wurde, bei dem auf der Grundlage manipulierter Mitgliederlisten Bundestags- und Landtagsmandate vergeben werden.« Lafontaine glaubt, Lutze habe sich mit den Stimmen bezahlter Mitglieder für den Bundestag aufgestellt. Der Angeklagte weist diese Darstellung zurück. Das Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Urkundenfälschung war zu Jahresbeginn eingestellt worden.

Am Sonntagabend ließ Lutze im Fernsehstudio des Saarländischen Rundfunks seinem Frust freien Lauf. »Das war eine gezielte Sabotage«, griff er Lafontaine direkt an: »Wenn du solche Leute in den eigenen Reihen hast, kannst du kein Spiel gewinnen.« Vor laufenden Kameras zeichnete er das Bild eines Mannes, dessen Ego ihn und die Partei in den Abgrund gerissen habe: »Der Herr Lafontaine war der Meinung, er allein habe das alles aufgebaut.« Daraus habe er ein »Recht abgeleitet, alles kaputtmachen« zu können.

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Richtig ist: 2009, als Lafontaine zum ersten Mal für Die Linke im Saarland angetreten war, hatte der frühere Sozialdemokrat noch 26 000 Stimmen von seiner ehemaligen Partei mitgebracht. Die früheren guten Ergebnisse der Linken im Saarland lassen sich zweifelsfrei auf ihn zurückführen, das sieht auch Lutze so: »Das war auch eine Personenwahl.« Nun trat Lafontaine zum maximal ungünstigen Zeitpunkt, eine Woche vor der Wahl, aus der Partei aus – für Lutze ein Affront: »Sein Verhalten in den letzten Wochen und Monaten war sowas von unterirdisch.«

Damit setzt sich der Abwärtstrend für die gesamte Partei nach der Pleite bei der Bundestagswahl (4,9 Prozent), bei der man nur über drei Direktmandate den Wiedereinzug geschafft hatte, weiter fort. Unter den westdeutschen Flächenländern ist sie künftig nur noch im Landtag von Hessen vertreten, außerdem in Bremen und Hamburg. Auch in den ostdeutschen Ländern hatte sie bei den letzten Wahlen viele Stimmen verloren.
»Für uns als Linke ist es ein wirklich bitterer Abend«, sagte Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow in einem kurzen Statement. Diese Niederlage sei »das Ergebnis eines langen, erbittert geführten Streits. Das zeigt wieder: Zerstrittene Parteien werden nicht gewählt, noch dazu in einer Zeit, in der Leute nach Sicherheit suchen.«

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