- Politik
- Linke im Saarland
»Wir haben ihm viel zu verdanken«
Was Barbara Spaniol, Linke-Spitzenkandidatin im Saarland, über Oskar Lafontaine und die Konflikte denkt
Frau Spaniol, ausgerechnet vor der Landtagswahl hat das saarländische Urgestein Oskar Lafontaine die Linke unter lautem Getöse verlassen. Wie sehr hat sein Parteiaustritt Ihrem Wahlkampf geschadet?
Zunächst einmal: Die Partei würde es ohne Oskar Lafontaine überhaupt nicht geben. Wir haben ihm viel zu verdanken. Ich bedauere diesen Schritt von ihm sehr. Wir machen wie bisher engagiert und selbstbewusst Wahlkampf, wir sind gut aufgestellt. Wir wollen seine Politik in jedem Falle fortsetzen, das spiegelt auch unser Wahlprogramm wider.
Das klingt erstaunlich positiv. Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zu Lafontaine, wie hat es sich entwickelt?
Das war immer eine sehr enge und kollegiale Zusammenarbeit in der Fraktion. Ich blicke mit Respekt auf diese Zeit zurück. Er hinterlässt eine Lücke, die nicht einfach zu füllen ist. Das habe ich mir auch nie angemaßt.
Sie sagen das, obwohl Sie selbst in der vergangenen Legislaturperiode zwischen die Fronten geraten waren. In Folge des innerparteilichen Streits zwischen Oskar Lafontaine und Landeschef Thomas Lutze, dem Lafontaine Betrug vorwarf, wurden Sie aus der Fraktion ausgeschlossen. Ihnen wurde vorgeworfen, Sie hätten die Fraktion nicht entschieden genug verteidigt. Daraufhin bildeten Sie mit der ebenfalls fraktionslosen Abgeordneten Dagmar Ensch-Engel die Fraktion Saar-Linke.
Ich empfand diesen Schritt des Ausschlusses als unangemessen und nicht nachvollziehbar, weil meine Arbeit immer wieder gelobt wurde. Ich war in diesen Streit nicht involviert, habe mich immer nur für eine gute Zusammenarbeit zwischen Partei und Fraktion und immer für meine Fraktion eingesetzt. Aber das ist jetzt so passiert. Ansonsten ist dazu alles gesagt.
Wie bewerten Sie diese Konstellation zweier linker Fraktionen rückblickend?
Von 2007 bis 2009 war ich nach meinem Austritt aus Bündnis 90/Die Grünen schon einmal fraktionslos. Ich habe erlebt, wie stark die Rechte im Parlament durch diesen Status begrenzt sind. Man hat keine Zuarbeit, muss alles allein machen. Da lag es nahe, dass wir uns zu einer Fraktion zusammenschließen. Wir haben damit mehr Redezeit und Sitze in Ausschüssen erhalten und konnten Mitarbeiter*innen für die parlamentarische Arbeit in Anspruch nehmen.
Nun sind Sie dennoch Spitzenkandidatin der Gesamtpartei für die Wahl geworden. Die Ausgestoßene steht jetzt plötzlich im Mittelpunkt. Das müssen Sie erklären!
Ich hatte ein Ergebnis von 98 Prozent bei der Aufstellung der Wahlkreisliste in Neunkirchen, das hat mir sehr viel Rückenwind gegeben. Mit Blick auf die Spitzenkandidatur hat sich die Partei hinter mir versammelt. Ich hatte auch bei dieser Wahl ein sehr gutes Ergebnis von über 85 Prozent.
Sie sind deutlich unbekannter als Oskar Lafontaine. Ein Nachteil?
Seine Popularität ist natürlich unbestritten. Ich bin aber selbst schon lange in der Landespolitik, ich erlebe das anders. Egal, wo ich bin, ist die Resonanz gut, und man kennt mich auch.
In seiner Erklärung schreibt Lafontaine, die Linke habe den politischen Kurs in die falsche Richtung geändert. Sie habe Arbeitnehmer*innen und Rentner*innen verloren. Können Sie das nachvollziehen?
Im Bundestagswahlkampf habe ich die Konzentration auf unsere Kernthemen schon etwas vermisst, das muss ich sagen. Ich hatte das Gefühl, dass sich alles nur noch um Klimaschutz dreht. Das wollen wir ja alle. Die Lösung der sozialen Frage ist aber ein bisschen zu kurz gekommen.
Die Linke war im Saarland einst - für westdeutsche Verhältnisse - sehr erfolgreich, bei der Landtagswahl 2009 holte man 21,3 Prozent ...
Das war damals natürlich Oskar Lafontaine zu verdanken und der deutlich schwächer gewordenen CDU unter Peter Müller.
... nun müssen Sie sogar um den Wiedereinzug in den Landtag kämpfen. Was ist seitdem passiert? Welche Rolle spielen die innerparteilichen Konflikte?
Das ist schwer zu erklären. Innerparteiliche Konflikte müssen innerparteilich gelöst werden, dafür bin ich immer eingetreten. Das ist nicht immer so gelaufen, das war natürlich nicht sonderlich gut. Aber wir schauen jetzt nach vorn und sind optimistisch, dass wir die Fünf-Prozent-Hürde schaffen.
Auf Plakaten werben Sie durchaus provokant: »Regierungen werden nicht gewählt, sondern abgewählt.« Auf einem anderen Plakat stellen Sie sich gegen die Impfpflicht, obwohl über diese gar nicht auf Landesebene entschieden wird. Haben Sie nicht die Befürchtung, dadurch Wähler*innen zu vergraulen?
Ich erlebe eine positive Resonanz. Wir wollten die Kampagne etwas unkonventioneller machen. Bei allen anderen Parteien sehen Sie kaum eine inhaltliche Aussage, das ist einfach zu wenig. Wir haben klare Positionen: Bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht werden die Pflegekräfte aus den Kliniken getrieben, die allgemeine Impfpflicht ist ein viel zu großer Eingriff in die Grundrechte. Das sehen wir so und wollten wir abbilden.
Sie sagten es schon: Sie waren selbst einst Mitglied bei den Grünen. Nun fragen sich die Leser*innen bestimmt: Warum sind Sie damals ausgetreten?
Ich habe diesen Schritt niemals bereut, gerade in der jetzigen Zeit des Krieges. Wenn sich Grüne für Waffenlieferungen und Aufrüstung aussprechen, dann wird mir immer wieder klar, dass ich das niemals hätte mittragen können. Die Linke ist für mich nach wie vor die Friedenspartei. Auch den Sozialabbau haben die Grünen jahrelang mitgemacht - das war und ist für mich nicht tragbar.
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