IMK warnt vor Rezession

Wirtschaftsforscher senken ihre Prognose für dieses Jahr deutlich

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.
Laut IMK kann die Inflation dieses Jahr auf bis zu 8,2 Prozent steigen.
Laut IMK kann die Inflation dieses Jahr auf bis zu 8,2 Prozent steigen.

Der Krieg in der Ukraine hat auch Auswirkungen auf die Konjunktur in Deutschland. »Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine verursacht riesiges menschliches Leid, und er hat den wirtschaftlichen Erholungspfad, der noch vor Kurzem absehbar war, jäh blockiert«, sagte der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, Sebastian Dullien, am Dienstag bei der Vorstellung einer Konjunkturprognose. Nun prägten nicht mehr die langsame, aber kontinuierliche Entspannung der coronabedingten Lieferengpässe und deutliche Zuwächse beim privaten Konsum das Konjunkturbild 2022, »sondern dramatisch steigende Energiepreise, außerordentlich hohe Inflationsraten, neue Belastungen von Lieferketten und große Unsicherheit«.

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Das IMK senkte deshalb seine Prognose für dieses Jahr massiv nach unten. Wegen der unsicheren Zukunft infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine hat das IMK dafür zwei Szenarien berechnet: Im optimistischen Szenario wächst die Wirtschaftsleistung dieses Jahr um 2,1 Prozent, im pessimistischen Szenario erwartet das IMK einen Rückgang von 0,3 Prozent. Für nächstes Jahr erwarten die Forscher*innen im besten Fall 3,2 und im schlechtesten Fall 1,4 Prozent. Im Dezember war das Forschungsinstitut noch von einem Wachstum von 4,5 Prozent für dieses Jahr ausgegangen.

Das IMK ist nicht das einzige Institut, das infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine nach unten revidierte. Vergangene Woche kappte das Münchner Ifo-Institut seine Prognose für dieses Jahr von 3,7 auf 2,2 bis 3,1 Prozent. Auch das Kieler Institut für Weltwirtschaft rechnet nur noch mit einem Wachstum von 2,1 statt vier Prozent. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle senkte ebenfalls seine Prognose von 3,5 auf 3,1 Prozent für dieses Jahr.

Im Basisszenario geht das IMK davon aus, dass die Öl- und Gaspreise 2022 um 50 beziehungsweise knapp 150 Prozent über dem Niveau von 2021 liegen. Im pessimistischeren Risikoszenario, das die Ökonom*innen im Moment für etwas unwahrscheinlicher halten, ist Öl im Durchschnitt rund 100 Prozent und Erdgas rund 200 Prozent teurer als im Vorjahr. Dies hat auch Auswirkungen auf die Inflationsrate. Neue Lieferengpässe treiben die Preise ebenfalls wieder nach oben. Im optimistischen Szenario rechnet das IMK mit einer Teuerungsrate von 6,2 Prozent, im pessimistischen Szenario sogar von 8,2 Prozent für dieses Jahr. Zum Vergleich: Vergangenes Jahr betrug die Inflationsrate 3,1 Prozent und war damit ungewöhnlich hoch. So hat die Europäische Zentralbank (EZB) als Ziel eine Teuerungsrate von rund zwei Prozent. Im kommenden Jahr sollte sich die Inflationsrate laut dem IMK wieder dem Ziel der EZB annähern. Es prognostiziert je nach Szenario 2,2 bis 2,4 Prozent.

Für die Berechnung ihrer Prognose berücksichtigten die Forscher*innen nicht die Auswirkungen, die das zweite Entlastungspaket der Bundesregierung vermutlich auf die Konjunktur hat, da es sich bei Abschluss der Prognose noch in der Abstimmung innerhalb der Koalition befand. Vor allem hat das IMK auch nicht die Möglichkeit eines Lieferstopps russischen Öls und Erdgases in seinen beiden Szenarien berücksichtigt.

Eine abrupte Unterbrechung der Gaslieferung würde mit hoher Wahrscheinlichkeit eine tiefe Rezession verursachen, warnte IMK-Chef Dullien. Grundsätzlich sei ein Energieembargo zwar eine politische Entscheidung, bei der zahlreiche Erwägungen einfließen. »Wir wollen aber darauf hinweisen, dass die wirtschaftlichen und auch die sozialen Folgen mit höchster Wahrscheinlichkeit gravierend wären und die Wirtschaftspolitik bereit sein muss, entsprechend zu reagieren«, warnte Dullien.

So berechnete das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, dass ein Importstopp das deutsche Bruttoinlandsprodukt um drei Prozent einbrechen lassen könnte. Demnach würden die negativen Auswirkungen ihren Höhepunkt nach 18 Monaten erreichen. Gleichzeitig würde ein Importstopp zu einem Anstieg der Inflation um bis zu 2,3 Prozentpunkte führen.

Der finanzpolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Christian Görke, forderte deshalb die Bundesregierung auf, einen Lieferstopp abzuwenden: »Hinter schlechten Konjunkturprognosen stehen Menschen, die arbeitslos bleiben oder arbeitslos werden.« Der »fürchterliche« Ukraine-Krieg sei schon heute eine enorme Belastung für die Menschen und für die Wirtschaft angesichts der explodierenden Energiepreise, so Görke.

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