Höhere Impfquote bleibt Aufgabe

Aus dem Scheitern der Impfpflicht sollten die richtigen Schlussfolgerungen gezogen werden

Eine Impfpflicht wäre vielleicht eine vernünftige Maßnahme im Kampf gegen Corona gewesen. 2021 vor der Bundestagswahl hätte man sich mit Blick auf die absehbar schwere Delta-Welle ernsthaft Gedanken machen sollen, doch damals hatte die Politik andere Prioritäten. Mit Omikron hat sich das Thema erledigt: Die verfügbaren Impfstoffe schützen praktisch gar nicht mehr vor Infektion, und mit der harmloseren Variante droht selbst bei Rekordinzidenzen keine Überlastung der Krankenhäuser mehr. Beides wäre aber Voraussetzung für eine solch starke Regelung. Und die ist auch nicht mehr vermittelbar: Man kann nicht fast alle Corona-Maßnahmen aufheben und dann die Impfpflichtkarte ziehen.

Die Befürworter ignorierten, dass es keine fachliche Begründung gibt, und setzten stattdessen auf politische Winkelzüge, um wenigstens eine Mehrheit für eine Seniorenvariante zu erreichen. Auch das ging schief. Mit Blick auf den weiteren Pandemieverlauf ist das unproblematisch. Zu befürchten ist aber, dass jetzt nicht nur die Impfpflichtkritiker gestärkt werden, sondern auch die Impfgegner. Dies wäre fatal, denn eine weitere Erhöhung der Impfquote gerade bei den vulnerablen Gruppen bleibt ein wichtiges Ziel.

Beim weiteren Umgang mit Corona droht damit auch ein generelles Laisser-faire, nicht eines mit Augenmaß. Das könnte sich mit Blick auf die Herbstwelle noch rächen. Diejenigen, die die Pandemie noch immer sehr ernst, vielleicht zu ernst nehmen, haben – selbst verschuldet – eine Niederlage erlitten. Daraus sollten sie die richtigen Schlussfolgerungen ziehen. Rechthaberei gehört nicht dazu. Wie wäre es, wenn die Regierung Druck auf die Hersteller ausübt, angepasste Impfstoffe auf den Markt zu bringen, statt mit kaum noch wirksamen immer mehr Geld zu machen? Das brächte mehr als jede Form von Impfpflicht.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal