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Korruption und Schlendrian

Der Bundesrechnungshof hat erneut Bundesministerien ins Visier genommen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Jahr um Jahr informiert der Bundesrechnungshof über Verschwendung von Steuergeld. Die Bundesregierung reicht den Bericht ans Parlament weiter, dort befasst sich der Haushaltsausschuss damit. Nachdem der Rechnungsprüfungsausschuss einen Blick in das Papier geworfen hat, entlasten Bundestag und Bundesrat die Regierung. Die dann wieder – nach den parlamentarischen Haushaltsberatungen – Steuergeld verschleudert.

In der vergangenen Woche legte der Bundesrechnungshof seine »Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes im Jahr 2021« vor. Die enthalten erneut Haarstäubendes. So hat das im vergangenen Jahr noch vom aktuellen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geleitete Finanzministerium zwar jede Menge privatrechtliche Stiftungen ins Leben gebracht, doch wie viele es sind und was die treiben, entzieht sich weitgehend der staatlichen Kenntnis. Sicher scheint nur: 2019 gab es davon 104, deren Stiftungskapital mehr als zwei Milliarden Euro betrug.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Auch in dem nun vom Grünen-Politiker Robert Habeck geleiteten Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ist Nacharbeit nötig. Zwar gibt man jährlich 500 Millionen Euro für die Energieforschung aus, doch »ob, wann und wie die Ergebnisse aus dem Energieforschungsprogramm zum Gelingen der Energiewende beitragen«, weiß niemand. Der Bundesrechnungshof beklagt: Das Programm sei nicht »auf die Marktreife der Forschungsergebnisse ausgerichtet«.

Läuft es besser, wenn man – wie im Bundesministerium für Bildung und Forschung – Zukunft plant? Der Rechnungshof hat exemplarisch die Beteiligung an dem 2018 auf Europaebene gegründeten Unternehmen EuroHPC geprüft. Es beschafft EU-weit besonders leistungsfähige Computer und fördert Forschungsprojekte zum Hochleistungsrechnen. An dem Unternehmen sind die Europäische Kommission, die EU- und andere Staaten sowie privatrechtlich organisierte Unternehmen beteiligt. Für den Betrieb von EuroHPC sind im EU-Haushalt bis zum Jahr 2027 mindestens 3,6 Milliarden Euro vorgesehen. 2020 und 2021 stellte der Bund mehr als 4,4 Millionen Euro für Kofinanzierungen bereit – ohne eine Ahnung davon, in welchem Umfang man in den Folgejahren zur Kasse gebeten wird. So etwas nennt man Ausgabenpolitik im »Blindflug«.

Daran, dass jeder vierte Zug im Fernverkehr der Deutschen Bahn AG verspätet ist, haben sich die Fahrgäste bereits gewöhnt. Nicht so der Bundesrechnungshof, denn dessen Experten können »keine Trendwende bei der Pünktlichkeit« erkennen. Ähnliche kritische Dauerbrenner finden sich auch in anderen Bereichen. Beispielsweise im Beschaffungswesen der Bundeswehr. 2021 standen dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) rund 14 Milliarden Euro Steuermittel zur Verfügung. Der Etat steigt, insbesondere nach der beschlossenen 100 Milliarden Euro Finanzspritze für die Bundeswehr wachsen die Begehrlichkeiten. Da ist es höchst ärgerlich, dass »seit Jahren nicht für ausreichenden Schutz vor Korruption« gesorgt sei. Die Kritik des Bundesrechnungshofes ist nachvollziehbar, denn rund 2400 der 7000 Dienstposten im BAAINBw werden vom Amt selbst als besonders korruptionsgefährdet bewertet.

Die Bundesregierung hat in ihrer Richtlinie zur Korruptionsprävention festgelegt, dass Beschäftigte nicht länger als fünf Jahre auf besonders korruptionsgefährdeten Dienstposten einzusetzen sind. Bei früheren Prüfungen war festgestellt worden, dass Bundeswehr-Beschaffer jedoch bis zu 28 Jahre am selben Schreibtisch klebten. Doch oh Wunder: Die alljährliche Kritik daran führte nun dazu, dass die temporäre Schmiergeld-Gefahrenzone der Beamten im Durchschnitt auf acht Jahre gesenkt werden konnte.
Wer glaubt, dass damit auch der Schlendrian aus der Truppe getrieben ist, der irrt. Das Verteidigungsministerium gab bislang mehr als 60 Millionen Euro für ein Cyber-Lagezentrum aus. Das ist jedoch nicht in der Lage, die schnelle Nato-Eingreiftruppe, die im Jahr 2023 von Deutschland geführt wird, mit einem »fusionierten Lagebild« zu unterstützen. Demgegenüber kann man die rund 50 Millionen Euro, die die Bundeswehr seit 2006 für eine Software ausgab, die sie gar nicht braucht, glatt in den Skat drücken – wären da nicht die fünf Millionen Euro, die der Anbieter jährlich für die Pflege der ungenutzten Software einstreicht.

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