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Brandenburgs Linke arbeitet an Struktur gegen Sexismus

Landesvorstand will Vertrauensgruppe einsetzen, Rechtsberatungsfonds auflegen und anonyme Umfrage starten

Entsetzt über Fälle sexuellen Missbrauchs in der Partei will Brandenburgs Linke schnellstmöglich einen Vertrag mit einer fachlich geeigneten und parteiunabhängigen Beratungsstelle für Betroffene sexuellen Missbrauchs und sexueller Belästigung abschließen. Beratung und Prävention sollen dabei das Ziel sein. Das verlange ein am vergangenen Mittwochabend einstimmig gefasster Vorstandsbeschluss, erläutert die Landesvorsitzende Katharina Slanina.

Der Landesverband verurteile jede Form von Sexismus und bedauere zutiefst, wenn Menschen durch Parteimitglieder oder bei Veranstaltungen Übergriffen ausgesetzt waren, stehe in dem Vorstandsbeschluss, führt Slanina aus. Man meine es ernst. »Strukturen, in denen Macht ausgeübt werden kann, müssen verändert werden.« Mitglieder des Landesvorstands, der Landtagsfraktion, aus Kreisvorständen und von den Landesarbeitsgemeinschaften Frauen und Queer sowie von der Linksjugend sollen ein Konzept zur Bekämpfung von Sexismus und sexualisierter Gewalt im Landesverband erarbeiten und möglichst zum nächsten Parteitag vorlegen. Außerdem sollen eine Vertrauensgruppe und eine Ansprechperson eingesetzt werden, die der Schweigepflicht unterliegen und an die sich Opfer allein oder in Absprache mit der Beratungsstelle wenden können. Ob der Vorstand anonymisiert über Fälle in Kenntnis gesetzt wird und auf welche Weise das aufgearbeitet wird, dies soll jeweils in Rücksprache mit dem Opfer geklärt werden, gegen dessen ausdrücklichen Wunsch soll nichts geschehen dürfen. Auch soll ein Rechtsberatungsfonds aufgelegt werden.

Auslöser sind Vorwürfe vor allem, aber nicht nur gegen einen Mitarbeiter der hessischen Landtagsfraktion, der eine Beziehung mit der jetzigen Bundesvorsitzenden Janine Wissler hatte und sich an einer 17-jährigen Genossin vergangen haben soll. Wissler wird vorgeworfen, der jungen Frau nicht geholfen zu haben.

Der Landesvorsitzenden Slanina sind aus Brandenburg bisher keine Vorfälle bekannt. Im Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« hieß es aber, fast alle Landesverbände seien betroffen und laut Linksjugend soll allein im Saarland nichts gewesen sein. Daher könne sie für Brandenburg nicht ausschließen, dass es hier doch etwas gegeben hat, was ihr nur bisher nicht zu Ohren kam, erklärt Slanina. Entsprechenden Informationen würde man selbstverständlich nachgehen. »Sexismus und Gewalt dürfen in einer linken und feministischen Partei keinen Platz haben«, zitiert sie aus dem Landesvorstandsbeschluss von Mittwochabend. Am Freitagabend widmete sich der Stammtisch des Landesverbandes dem Thema. Männer waren zur Teilnahme zugelassen, jedoch keine Journalisten.

Vorgesehen ist nun auch eine anonyme Umfrage unter den Mitgliedern sowohl über Erfahrungen mit Sexismus als auch über den Umgang damit.

»Wegweisend« sei dies, lobt die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (Linke) die Pläne. »Da hat der Landesverband gezeigt, dass er handlungsfähig ist. Das hätte ich mir vom Bundesvorstand in dieser Konsequenz auch gewünscht.« Am Mittwochmorgen hatte Johlige auf ihrer Internetseite einen Blogbeitrag veröffentlicht. Darin äußerte sie enttäuscht, dass über die Vorgänge in Hessen so nicht debattiert werden könne und dürfe, wie es bis dahin geschehen war. Am meisten störe sie, dass es »viel zu wenig um die Opfer« gehe. »Da wird betont, wie wichtig man das Thema findet und wie nötig Aufklärung ist und dass sich was ändern muss. Um im nächsten Moment mitzuteilen: Aber ich stehe zu meiner Parteivorsitzenden«, notierte Johlige. Da sei den Betroffenen mindestens unterschwellig unterstellt worden, »eine Kampagne gegen die Partei zu fahren«, dies aber eingedenk der Tatsache, »dass sie monate-, wenn nicht gar jahrelang versucht haben, sich innerparteilich Gehör zu verschaffen und dabei immer wieder gegen Wände gelaufen sind«. Und auch Vorwürfe, der Partei schaden zu wollen und selbst nur mediale Aufmerksamkeit zu suchen, hätten nicht gefehlt. Johlige machte eine Reihe von Vorschlägen, was zu tun wäre. Im Landesvorstandsbeschluss findet sie das nun aufgegriffen. Das freut die Abgeordnete. Es seien aber weitere Ideen hinzugefügt worden wie die einer anonymen Umfrage, sagt Johlige. Sie hält diese Idee für ausgezeichnet.

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