Ärgernis Biosprit

Essen im Tank zu reduzieren, ist eine richtige Forderung, die hoffentlich nicht bald wieder vergessen wird

Es ist ein Muster aus der Finanz- und der Coronakrise, das sich angesichts der Folgen des Ukraine-Krieges jetzt wiederholt. Plötzlich fallen den Politikern ganz viele Missstände auf, die über viele Jahre ausgesessen worden waren und nun zum akuten Problem werden. Mehrere Grünen- und SPD-Minister möchten die Verwendung von Nahrungs- und Futtermitteln für die Treibstoffgewinnung deutlich einschränken – angesichts der stark gestiegenen Preise und der Knappheit beim Speiseöl liegt das natürlich nahe.

Tatsächlich ist es ein Unding, dass bisher allein von deutschen Feldern jährlich rund zwei Millionen Tonnen Getreide und eine Million Tonnen Pflanzenöl zu Biokraftstoffen verarbeitet werden. Damit könnte man zwei Milliarden Brote backen und fast zwei Drittel des hiesigen Speiseölverbrauchs decken, hat Greenpeace ausgerechnet. Mit der Parole »Kein Essen in den Tank« protestieren Umwelt- und Entwicklungshilfeorganisationen seit vielen Jahren dagegen – bis auf das für 2023 geplante Aus von Palmöl tat sich bisher nichts. Das Interesse der Autoindustrie und der Agrarlobby an billigem Sprit war zu groß. Die Biospritbranche, die schon mit ihrem Namen in die Irre führt, versprach angesichts von Kritik schon vor vielen Jahren technische Lösungen, doch Biokraftstoffe der zweiten und dritten Generation, die etwa Pflanzenabfälle nutzen, kamen nicht.

Dies zeigt aber auch, dass es nicht so einfach ist, die Ankündigungen der Minister zeitnah einzulösen. Die Beimischung ist gesetzlich vorgeschrieben. Auf nahe Sicht würden Tempolimits, die den Spritverbrauch insgesamt reduzieren, deutlich mehr bringen. Und langfristig geht es um die Umstellung auf Elektromobilität.
Um den Missstand beim Biosprit zu beseitigen, braucht es einen langen Atem. Doch dieser könnte fehlen, wenn sich die Preise nach der Krise wieder normalisieren. Genau daran erinnern nämlich die Erfahrungen aus der Finanz- und der Coronakrise auch.

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