Weder für noch gegen Russland

Die afrikanischen Staaten sind nicht bereit, sich mit Blick auf den Ukraine-Krieg auf eine Seite zu schlagen

  • Jörg Kronauer
  • Lesedauer: 4 Min.

Zweieinhalb Monate nach dem russischen Überfall auf die Ukraine haben sie immer noch keinen Durchbruch erzielt: die Mächte des Westens bei dem verbissenen Versuch, Russland nicht nur, aber auch auf dem afrikanischen Kontinent zu isolieren. Erst haben sie afrikanische Regierungen aufgefordert, sich klar gegen Moskau zu positionieren; als das nicht half, haben sie ihnen gut zuzureden versucht; zuletzt haben, wie ein Diplomat der südafrikanischen Zeitung "Business Day" berichtete, einige Staaten Europas sogar gedroht, Entwicklungsmittel zu kürzen, wenn die afrikanischen Länder sich nicht prinzipiell von Moskau distanzieren. Auch damit hatten sie keinen Erfolg: Bislang hat kein Land des Kontinents ihnen den Gefallen getan.

Um kein Missverständnis hervorzurufen: Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist auf dem afrikanischen Kontinent nicht populär. Nur ein einziges afrikanisches Land, Eritrea, stärkte Anfang März in der UN-Generalversammlung Moskau den Rücken; die anderen konnten sich nicht durchringen, den Krieg zu verteidigen, verurteilten ihn, enthielten sich diplomatisch oder schwänzten die Abstimmung. Nur: Die von den USA und der EU penetrant vorgetragene Behauptung, im Ukraine-Krieg kämpften „Gut“ (der Westen) gegen „Böse“ (Russland), verfängt in Afrika kaum. Dass der Angriffskrieg gegen die Ukraine sich prinzipiell etwa von demjenigen gegen den Irak unterscheiden soll, weil ein europäisches Land betroffen ist, diese rassistische Begründung leuchtet in Afrika nicht recht ein. Und das umso weniger, als auch afrikanische Länder oft genug Opfer westlicher Kriege waren.

Entsprechend sind die afrikanischen Staaten nicht bereit, sich mit Blick auf den Ukraine-Krieg auf eine Seite zu schlagen; an den Russland-Sanktionen beteiligt sich bislang keiner von ihnen. Warum auch – schließlich hat noch niemand verlangt, sagen wir: wegen der US-Kriegsverbrechen im Irak die Vereinigten Staaten international zu isolieren. Oder etwa Sanktionen gegen Frankreich, Großbritannien und die Nato wegen des Libyen-Kriegs zu verhängen, der nicht nur Libyen selbst, sondern auch Mali und weite Teile des Sahels ins Verderben stürzte.

Auch einen Videoauftritt des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor einem afrikanischen Parlament oder auf einem Gipfeltreffen der Afrikanischen Union (AU) hat es bisher nicht gegeben; er liefe auf eine offene Positionierung auf Seiten des Westens hinaus. Mitte April lehnte etwa Kenia eine entsprechende Anfrage ukrainischer Stellen ab, Ende April die AU. Deren Kommissionsvorsitzender Moussa Faki Mahamat erklärte die Absage mit der Bemerkung, er habe gegenüber Kiew "auf der Notwendigkeit einer friedlichen Lösung des Konflikts mit Russland bestanden". Partei ergriff die AU nicht.

Dies auch deshalb, weil das viele afrikanische Staaten in ernste Probleme stürzen würde. Natürlich kooperieren die meisten von ihnen mit westlichen Ländern; nicht wenige arbeiten aber auch mit Russland zusammen, sehr viele zudem mit China, Indien, der Türkei, die alle klar gegen die Forderung opponieren, Russland zu isolieren. Sich für die eine und damit gegen die andere Seite positionieren zu müssen, das wäre für die afrikanischen Staaten fatal. Einige haben dabei ein sehr konkretes Interesse an einer Zusammenarbeit mit Russland. Russisches Getreide ist für so manches Land des Kontinents lebenswichtig. Russische Waffen füllen die Bestände einer ganzen Reihe afrikanischer Streitkräfte. Eines sollte man zudem nicht unterschlagen: Es gibt Staaten in Afrika, die sich von Russland eine bessere Zusammenarbeit erhoffen als vom Westen.

Mali ist einer von ihnen. Die Truppen aus Europa, die dort seit 2013 operieren, haben es nicht geschafft, die dshihadistischen Milizen im Sahel erfolgreich zu bekämpfen; ganz im Gegenteil – diese sind heute stärker denn je. Das Auftreten der einstigen Kolonialmacht Frankreich wird in Mali als arrogant und ignorant empfunden. Das Land hat begonnen, militärisch eng mit Moskau zu kooperieren; viele fühlen sich von ihm nicht so herablassend behandelt wie von Paris und Brüssel. Im April hat nun auch Kamerun ein Abkommen zur Militärkooperation mit Russland geschlossen, weitere Staaten könnten folgen. Der Westen beißt in Afrika auf Granit, und es gibt Gründe dafür.

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