Angstkampagne gegen »Rote«

Australiens liberal-konservative Koalition verteidigt ihre Macht mit harten Bandagen

  • Ramon Schack
  • Lesedauer: 4 Min.

Wenn am Samstag in Australien das Parlament neu gewählt wird, hofft Regierungschef Scott Morrison auf eine Mehrheit für seine Liberal Party. Der letzten, allerdings schon drei Wochen alten Umfrage der Tageszeitung »The Australian« zufolge liegt allerdings die oppositionelle sozialdemokratische Labor-Partei unter ihrem Chef Anthony Albanese (59) mit 53 Prozent in der Wählergunst weit vorn. Bei den persönlichen Beliebtheitswerten liegt hingegen Premier Morrison alias »ScoMo« in Führung. 45 Prozent halten den 54-Jährigen für den besseren Regierungschef, 39 Prozent bevorzugen Albanese.

Wenige Tage vor den Parlamentswahlen in Australien plätschert der Wahlkampf eher müde vor sich hin. Dabei handelt es sich nach Auffassung vieler Kommentatoren um eine Schicksalswahl. Nach einem fast 30-jährigen Aufschwung, der zu einem Großteil von der Nachfrage Chinas nach australischen Rohstoffen getragen wurde, droht Australien nun in die Rezession abzugleiten. Der Journalist Nick Bryant diagnostiziert auf dem fünften Kontinent einen Mentalitätswandel: Aus dem »lucky country«, dem »glücklichen Land«, sei ein »anxious country« geworden, ein »ängstliches Land«. Der Begriff »lucky Country« wurde in den 1960er Jahren von dem Intellektuellen Donald Horne geprägt, was allerdings eher als Kritik denn als Lobpreisung gemeint war. Australien sei ein »glückliches Land, welches von zweitklassigen Menschen geführt« werde, meinte er abfällig.

Morrison hatte im August 2018 nach dem Rücktritt von Malcolm Turnbull das Amt des Premierministers und den Parteivorsitz der Liberal Party of Australia übernommen. Bei der Parlamentswahl im Mai 2019 wurde er allen Umfragen zum Trotz im Amt bestätigt und führt seither eine Koalitionsregierung mit der noch konservativeren National Party of Australia. Lange gingen politische Beobachter davon aus, dass ein solch »rechtslastiger« Sieg noch einmal gelingen könnte. In den letzten Tagen allerdings sagen die Meinungsforscher der seit neun Jahren regierenden liberal-konservativen Koalition eine Wahlniederlage voraus.

Die künftige Regierung muss 76 der 150 Sitze des Unterhauses kontrollieren. Ob Labor eine absolute Mehrheit erreichen kann, ist zur Stunde allerdings völlig unklar, schon aufgrund der Zersplitterung der politischen Landschaft.

Die Menschen zwischen Darwin und Adelaide leiden derzeit unter explodierenden Lebenshaltungskosten. Hausbesitzer fürchten, ihre Hypotheken nicht mehr bedienen zu können, während Naturkatastrophen zahlreiche Regionen in Risikogebiete verwandeln. Die Inflationsrate liegt derzeit bei 5,1 Prozent, es ist die höchste seit 20 Jahren. Die australische Notenbank sah sich jüngst veranlasst, den Leitzins zum ersten Mal in zehn Jahren wieder zu erhöhen, von 0,1 auf 0,35 Prozent. Dieses bedeutet für junge Familien eine erhebliche zusätzliche Belastung ihrer ohnehin strapazierten Budgets. In Australien verfügen die meisten Haushalte über Wohneigentum; sie gehören zu den am stärksten verschuldeten weltweit. Hauptgrund hierfür sind die in den letzten Jahren drastisch angestiegenen Immobilienpreise.

Zugleich sind die Folgen der Corona-Pandemie nicht überwunden, während die amtierende Koalition in Canberra drauf und dran ist, sich – auf Druck der USA – mit China, dem größtem Handelspartner des Landes, zu überwerfen.

Hinzu kommt, dass Morrisons Kabinett bei Frauen massiv an Rückhalt verloren hat. Grund hierfür ist eine Kette von Sexskandalen von Regierungsmitgliedern und Abgeordneten – von einer Vergewaltigung im Parlamentsgebäude durch einen jungen Regierungsmitarbeiter bis hin zum Missbrauch einer Untergebenen durch einen Minister. Morrison wurde vorgeworfen, darauf ungeschickt reagiert zu haben. Tatsache ist, dass bisher keine Täter zur Verantwortung gezogen wurden.

Aktuell wird der Wahlkampf von antichinesischen Hetzkampagnen belastet. Die Frage, wer wie zu China steht, rückt in den Mittelpunkt. Für Australien ist die asiatische Supermacht der wichtigste Handelspartner, die aber zugleich als Bedrohung dargestellt wird. Die Regierung Morrison hat die Beziehungen zu Chinas Staatspräsident Xi Jinping und seiner Kommunistischen Partei heruntergefahren. Verteidigungsminister Peter Dutton (Liberale) erklärte kürzlich, Australien müsse sich für den Krieg rüsten, um den Frieden zu bewahren.

Insbesondere Konservative behaupten eine besondere Nähe von Anthony »Albo« Albaneses Sozialdemokraten zu den chinesischen Kommunisten. Diese Thesen sind auch auf Plakaten zu lesen, die auf Lastwagen durch australische Städte kutschiert werden. Darauf zu sehen ist Xi Jinping, der einen mit »Labor« beschrifteten Wahlzettel in eine Urne wirft. Die Kommunistische Partei Chinas empfehle, Labor zu wählen, ist auf dem Plakat zu lesen.

Dabei unterstellen rechtslastige Kreise auch einer Vertreterin der Liberalen, Gladys Liu, allein wegen ihrer chinesischen Abstammung eine Nähe zur Regierung in Peking. Auf einem Wahlplakat wird behauptet, sie sei »Xis Wunschkandidatin«. Hinter der aggressiven Kampagne gegen Labor steckt Rupert Murdochs Medienkonzern News Corp. 70 Prozent der australischen Printmedien sowie ein einflussreicher Fernsehsender werden von ihm kontrolliert. Es bleibt abzuwarten, inwieweit derart plumpe Kampagnen die Wähler beeinflussen werden.

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