Einen Brockhaus für RB Leipzig

Sportlichen Erfolg kann man kaufen. Respekt und Anerkennung aber nicht, meint Christoph Ruf

Nehmen wir einmal an, beim DFB-Pokalfinale am Samstag hätte sich jemand unters Publikum gemischt, der zwar die Spielregeln kennt, von den Gegebenheiten hierzulande aber keinerlei Ahnung hat. Nennen wir ihn mal Peter. Peter hätte wohl nach dem Elfmeterschießen bilanziert, dass die Mannschaft in den weißen Trikots die bessere war, dass sie sich zurecht über einige Schiedsrichterentscheidungen geärgert und dass sie alles in allem zurecht den Pokal gewonnen hat. Er hätte sich allerdings gewundert, dass bei der Pokalübergabe tausende gegnerische Fans gepfiffen haben und dass die neutralen Zuschauer das Spektakel ebenfalls mit abfälligen Gesten begleiteten. Um den orientierungslosen Peter hätte man sich trotzdem keine Sorgen machen müssen. Denn irgendjemand hätte ihm wahrscheinlich noch im Olympiastadion erklärt, warum RB Leipzig es zwar nun geschafft hat, einen Titel in einem nationalen Wettbewerb zu gewinnen, es aber unter grob geschätzt 400 000 Dauerkarteninhabern in der ersten Liga noch gröber geschätzt 380 000 gibt, die RB ablehnen. Und 20 000, die eine Dauerkarte für das Red-Bull-Geschöpf haben, bei dem schon der Vereinsname »Rasenballsport« nach etwas klingt, das in Firmenzentralen ersonnen wird.

Dabei, das wird man auch Peter erklärt haben, geht es bei der Kritik an RB nicht primär um eine Kommerzdiskussion, die im Fußball tatsächlich nicht als Konflikt zwischen Retorten- und Traditionsvereinen geführt werden kann. Die ganze Branche ist bereit, ans Maximum dessen zu gehen, was ihre Fans gerade noch so mitmachen. Und da die ziemlich vieles mitmachen, dreht sich die Spirale munter weiter. Während der Pandemie sind die Spielergehälter erneut gestiegen. Weite Teile der Fanszene, die sich für »kritisch« halten, ziehen daraus vielleicht auch deswegen keine Schlüsse, weil sie viele Stunden in den Gremien verbringen, die vieles thematisieren, nur nicht die Fragen, die für den deutschen Fußball wirklich unangenehm wären.

Was das eigentliche Problem an RB ist, hat derweil der Geschäftsführer des VfL Osnabrück, Michael Welling, vergangene Woche zusammengefasst. »Das Konstrukt Rasenballsport steht für eine Idee von Fußball, die konträr zu den Überzeugungen vieler Menschen steht, in denen Teilhabe zumindest möglich ist. Rasenballsport konnte diesen Weg gehen, weil das Konstrukt mit viel Geld des Konzerns Red Bull alimentiert wurde. Folglich ist Rasenballsport eben auch kein ‹normaler› Fußballklub, der als Folge guter und kontinuierlicher Arbeit Erfolg hat.«

Tatsächlich gibt es RB nur, weil der Red-Bull-Konzern nach dem Hype um die WM 2006 beschlossen hat, bei der Vermarktung seiner Dosen neue Wege zu gehen. In Düsseldorf, Dresden, München und Hamburg kam man nicht weiter beim Versuch, sich mit einem Fußballklub aus dem Reagenzglas einzukaufen. In Leipzig hat es geklappt. Auch dank der Unterstützung aus Politik und Fußballverbänden, die ihre eigenen Satzungen und Vorschriften nicht immer so ernst nehmen wie bei der Pyrotechnik. Es hat nur 13 Jahre gedauert, bis sich ein Milliardär einen nationalen Titelträger schnitzen konnte, der nun exakt so viele Bundesligaspiele hat wie Freiburgs Christian Streich als Trainer betreut. Wenn Eintracht Frankfurt die Europa League gewinnt, feiern zehntausende im Stadion und hunderttausende in der Stadt. Hätte Freiburg am Samstag gewonnen, hätte Südbaden noch bis Herbst kein anderes Thema mehr gekannt. So viel Bindung und Emotionen entstehen nach Jahrzehnten gemeinsamer Erlebnisse, sie lassen sich nicht beschließen oder planen. RB bleibt »the thing that should not be«, im wörtlichen wie im Lovecraft`schen Sinne. Für RB-Boss Oliver Mintzlaff muss das eine genauso harte Erkenntnis sein wie der Umstand, dass er noch heute wöchentlich bejammern muss, seinem Arbeitgeber werde der »Respekt« verweigert.

Der Brockhaus definiert »Respekt« mit »Achtung« und »Ehrfurcht«, der Duden spricht von einer »auf Anerkennung, Bewunderung beruhenden Achtung«. Für Mintzlaff müssen das Worte wie Nadelstiche sein. In seine Sprache übersetzt heißen sie: Man kann vieles kaufen. Respekt und Anerkennung aber nicht.

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