Linkes Quintett will sich in Rathäusern behaupten

Genossen ringen in Sachsen um kommunale Verankerung / Bündnisse gelten in ländlichen Regionen als Ausweg

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
Simone Luedtke ist die einzige Oberbürgermeisterin der Linken in Sachsen und will am 12. Juni in Borna zum dritten Mal in das Amt gewählt werden.
Simone Luedtke ist die einzige Oberbürgermeisterin der Linken in Sachsen und will am 12. Juni in Borna zum dritten Mal in das Amt gewählt werden.

2008 wurde Simone Luedtke zur Oberbürgermeisterin von Borna bei Leipzig gewählt. Das Ergebnis sorgte im Rathaus des benachbarten Böhlen für Erleichterung. Die dortige Amtsinhaberin Maria Gangloff hatte zuvor geklagt, die Möglichkeiten zum Austausch mit Rathauschefs aus ihrer Partei seien sehr begrenzt, weil es nicht mehr viele davon gebe. Gangloff war Mitglied der Linken und hatte nun, weil es sich bei Luedtke um eine Genossin handelte, zumindest eine Verbündete mehr.

Am Sonntag werden in Sachsen wieder zahlreiche Rathauschefs gewählt. Luedtke, die ihren Posten nach 2015 erneut verteidigen will, zählt dabei zu den größten Hoffnungsträgerinnen ihrer Partei. Sie gehört einer Riege von Rathauschefs an, die seit 2008 noch weiter geschrumpft ist: von rund zehn auf nur mehr fünf. Mit Thomas Weikert in Lugau sowie Volker Holuscha in Flöha stehen zwei weitere am 12. Juni ebenfalls zur Wahl. Harald Wendler in Geyer (Erzgebirge) hat seinen Posten unlängst behauptet. Hans-Peter Retzler in Liebstadt (Sächsische Schweiz), mit 24 Amtsjahren dienstältester Bürgermeister der Linken in Sachsen, wurde zuletzt 2019 im Amt bestätigt. Er holte 97,6 Prozent gegen drei Mitbewerber.

Von solchen Ergebnissen kann die Linke in sächsischen Städten und Gemeinden ansonsten nur träumen. Die Partei, die ihre Stärke im Land einst nicht zuletzt auf eine breite Verankerung in den Kommunen gründete, wird auch in diesen immer weniger gewählt. Im Herbst 2019 wurde nach der Landtagswahl, bei der es nur noch für 10,7 Prozent gereicht hatte, in einer kritischen Analyse angemerkt, man setze kaum eigene Schwerpunkte, was zu einer »Nichtwahrnehmbarkeit« geführt habe, die eine »schwere Hypothek« darstelle. Sie zieht die Partei nicht nur auf Landesebene nach unten. Im Mai 2019 büßte sie bei der Kommunalwahl ein Drittel ihrer Mandate in Stadt- und Gemeinderäten ein, in manchen ländlichen Regionen die Hälfte.

Was für ein hartes Brot sie mittlerweile kauen muss, belegt auch die Kandidatenlage für die Wahlen am Sonntag. Bei neun Landratswahlen ist die Linke immerhin achtmal am Start: in fünf Fällen mit eigenen Bewerbern, dreimal als Unterstützerin von Bewerbern, hinter denen auch SPD und Grüne stehen. Bei den Bürgermeisterwahlen findet aber nicht einmal jede zehnte mit Beteiligung der Linken statt. Diese hat 21 Bewerber im Rennen. Elf sind Genossen, in zehn Fällen werden Kandidaten unterstützt, die anderen oder keiner Partei angehören. Auffällig sind die regionalen Unterschiede. Im Landkreis Görlitz findet keine einzige Bürgermeisterwahl mit Beteiligung der Linken statt, im Kreis Bautzen nur die in der Kreisstadt, wo Andrea Kubank antritt. In ganz Südwestsachsen bietet sie außer in Flöha und Lugau nur in Lößnitz einen Kandidaten auf. Rund um Leipzig dagegen gibt es mehr als ein Dutzend Bewerbungen.

Ein Hauptgrund dafür ist erfolgreiche Bündnispolitik. Im Landkreis Nordsachsen gelang es Linke, SPD und Grünen, ein »Netz aus wunderbaren Kandidat*innen« zu knüpfen, wie Linke-Kreischefin Luise Neuhaus-Wartenberg formulierte. Es umfasst einen Landrats-Kandidaten, der von der SPD kommt, sowie zehn Bewerber für Posten in Rathäusern. Die Paketlösung zeugt von der Einsicht, dass im ländlichen Raum keine der drei Parteien allein sonderlich aussichtsreich wäre, aber auch vom »gemeinsamen Willen, etwas zu verändern«, sagt Neuhaus-Wartenberg und spricht von einem »Projekt, das über den Landkreis hinaus Schule machen sollte«.

Das gelang bisher nur in Ansätzen. In zwei weiteren Landkreisen sollen R2G-Bündnisse immerhin den Weg in Landratsämter ebnen. In Bautzen kandidiert Alex Theile, der bisher als Parteiloser für die Linke im Stadtrat Kamenz sitzt, in Mittelsachsen Dirk Neubauer, der Bürgermeister von Augustusburg ist und früher SPD-Mitglied war. In Dresden, wo es 2015 mit SPD-Ministerin Eva-Maria Stange eine gemeinsame Bewerberin von R2G gegeben hatte, bieten die Parteien diesmal zunächst je eigene Kandidaten auf. Die Linke schickt Fraktionschef André Schollbach ins Rennen. Erst in einem möglichen zweiten Wahlgang soll einer Absprache zufolge der oder die Stärkste unterstützt werden.

Ob in der Landeshauptstadt, einem Landkreis oder einem Dorf: Der Linken würde jeder Wahlerfolg Auftrieb für ihre kommunalpolitischen Ambitionen geben. Kürzlich sagte Landeschefin Susanne Schaper, man werde »alles daran setzen, die kommunalpolitische Verankerung zu erhalten«. Ein Parteitag gab für die Kommunalwahl 2024 als Maxime aus, man wolle die Zahl der Mandate »flächendeckend wieder erhöhen« und in Orten unter 5000 Einwohnern mindestens ein Mandat erringen, in größeren Gemeinden sogar zwei. Mancher Kreischef bangt, ob er überhaupt ausreichend Kandidaten findet, um errungene Mandate auch besetzen zu können. Doch zunächst geht es für die Linke im Freistaat darum, den Trend umzukehren. Und vielleicht erhält ja am Sonntag das linke sächsische Bürgermeister-Quintett sogar Zuwachs.

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