Zwangsverkabelung

Rechtssteit hat erst 2024 ein Ende

  • Aus: MieterMagazin Ausgabe 4/2022/nd
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Vermieter einer Vielzahl von Wohnungen, der seinen Mietern einen Anschluss an ein Kabelfernsehnetz zum Empfang von Fernseh- und Hörfunkprogrammen zur Verfügung stellt und die ihm hierfür entstehenden Kosten im Rahmen der Betriebskostenabrechnung auf seine Mieter umlegt, ist ein Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten im Sinne von § 43 b TKG. Der Vermieter ist nicht verpflichtet, seinen Mietern bei fortbestehendem Mietverhältnis eine Kündigung des Anschlusses an das Kabelfernsehnetz zum Ablauf von 24 Monaten zu ermöglichen, wenn der Wohnraummietvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen und nach den gesetzlichen Regelungen vor Ablauf von 24 Monaten kündbar ist. Das geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs (Az. I ZR 106/20) vom 18. November 2022 hervor.

In diesem Musterverfahren ging es um die Grundsatzfrage, ob Vermieter Mietern ein Kündigungsrecht nach § 43 b Telekommunikationsgesetz (TKG) für einen nicht genutzten Breitband-Kabelanschluss einräumen müssen. § 43 b TKG in der bis zum 30. November 2021 geltenden Fassung lautet: »Die anfängliche Mindestlaufzeit eines Vertrages zwischen einem Verbraucher und einem Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten darf 24 Monate nicht überschreiten. Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten sind verpflichtet, einem Teilnehmer zu ermöglichen, einen Vertrag mit einer Höchstlaufzeit von zwölf Monaten abzuschließen.«

Die Beklagte ist eine Wohnungsbaugesellschaft mit mehr als 120 000 Mietwohnungen, von denen 108 000 an ein Kabelfernsehnetz angeschlossen sind. Das Entgelt, das die Vermieterin für die Versorgung der Wohnungen mit dem Kabelnetz zahlte, legte sie nach den Mietverträgen als Betriebskosten auf ihre Mieter um. Für die Mieter bestand nach den Mietverträgen keine Möglichkeit, während der Dauer des Mietverhältnisses die Versorgung mit Fernseh- und Hörfunksignalen zu kündigen.

Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Sie sah einen wettbewerbswidrigen Verstoß gegen § 43 b TKG darin, dass die Mietverträge keine Regelung enthielten, nach der die kostenpflichtige Bereitstellung eines Kabelanschlusses wenigstens zum Ablauf einer Laufzeit von 24 Monaten kündbar sei und die Vermieterin nicht den Abschluss von Mietverträgen anbiete, nach denen die Bereitstellung solcher Anschlüsse auf eine Laufzeit von höchstens 12 Monaten begrenzt sei.

Der BGH entschied, dass die Vermieterin durch die Bindung ihrer Mieter an den von ihr zur Verfügung gestellten kostenpflichtigen Kabel-TV-Anschluss nicht gegen § 43 B TKG verstoßen habe. In den von der Vermieterin mit ihren Mietern geschlossenen Mietverträgen sei jedoch keine 24 Monate überschreitende Mindestlaufzeit vereinbart (§ 43 B Satz 1 TKG). Die Vermieterin verwehre ihren Mietern auch nicht den Abschluss von Mietverträgen mit einer Höchstlaufzeit von zwölf Monaten(§ 43 b Satz 2 TKG). Die Mietverträge würden von der Vermieterin vielmehr auf unbestimmte Zeit geschlossen und könnten von den Mietern nach der gesetzlichen Regelung in § 573 c Abs. 1 Satz 1 BGB bis zum dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats gekündigt werden.

Der Gesetzgeber habe große Wohnungsbaugesellschaften, die mit Kabel-TV-Anschlüssen ausgestattete Wohnungen vermieten und die Kosten als Betriebskosten auf die Mieter umlegen, nicht in den Geltungsbereich des § 43 b TKG einbeziehen wollen. Das ergebe sich auch aus der Änderung des Telekommunikationsgesetzes. Nach der ab 1. Dezember 2021 geltenden Neuregelung in § 71 Abs. 1 Satz 1 und 3 TKG könnten Verbraucher die Inanspruchnahme von Telekommunikationsdiensten im Rahmen eines Mietverhältnisses nach 24 Monaten beenden. Diese Neuregelung sei nach der Übergangsvorschrift des § 230 Abs. 4 TKG aber erst ab 1. Juli 2024 anwendbar. Dann bekommen alle Mieter die geforderte Wahlfreiheit und die »Zwangsverkabelung« ist damit endgültig Geschichte.

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