Eklat mit Ansage

Algerien setzt Handelsgeschäfte mit Spanien aus. Auch Gaslieferungen sind gefährdet

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war ein Paukenschlag für Spaniens Regierung. Am Mittwoch hat Algerien den vor fast 20 Jahren geschlossenen Vertrag über »Freundschaft, gute Nachbarschaft und Zusammenarbeit« zwischen beiden Ländern »mit sofortiger Wirkung« ausgesetzt. Handelsgeschäfte sind massiv beeinträchtigt, denn Geldüberweisungen für Importe aus und Exporte nach Spanien wurden von Algeriens Bankenverband am Donnerstag verboten.

Ausgerechnet unter der sozialdemokratischen Regierung von Pedro Sánchez bewegt sich die ehemalige Kolonialmacht Spanien in die Richtung, die US-Präsident Donald Trump mit der Anerkennung der Souveränität Marokkos über die Westsahara kurz vor seinem unrühmlichen Abgang eingeschlagen hatte. Dies verstößt gegen alle Resolutionen der Vereinten Nationen zur Entkolonisierung der »letzten Kolonie Afrikas«. Soweit ist Spanien zwar noch nicht, aber die PSOE von Sánchez sieht mittlerweile in der von Marokko vorgeschlagenen Autonomielösung den Weg, um den Konflikt zu lösen. Wenige Stunden vor der algerischen Erklärung hatte Sánchez die marokkanischen Pläne erneut als »solideste, realistischste und glaubwürdigste Grundlage« für eine Konfliktlösung bezeichnet.

Seit Monaten verschlechtern sich die Beziehungen zwischen Madrid und Algier. Bereits im März wurde der algerische Botschafter aus Protest gegen den Kurs der spanischen Regierung aus Madrid abgezogen. Im Mai drohte Algerien wegen Spaniens Offerten gegenüber dem Königreich Marokko sogar damit, dem südeuropäischen Land den Gashahn abzudrehen. Spanien hatte angekündigt, Marokko mit Gas versorgen zu wollen. Im vergangenen Jahr hatte Algerien die Lieferungen nach Marokko eingestellt. Daher fließt über die Maghreb-Europa-Pipeline auch kein Gas mehr nach Spanien und Portugal, wodurch sich die Energieknappheit in beiden Ländern verschärft hat.

Algerien nennt Madrids neue Westsahara-Politik »illegal und illegitim«. Die spanische Regierung unterstütze die Besatzungsmacht und sorge »mit fadenscheinigen Argumenten für die Vollendung kolonialer Tatsachen«. Auch den Bemühungen der Uno werde in den Rücken gefallen.

Eigentlich hätte in der Westsahara längst ein Referendum über die Unabhängigkeit durchgeführt werden müssen. Ein solches war Grundlage für den Waffenstillstandsvertrag mit der Befreiungsfront »Polisario« 1991, wurde aber von Marokko systematisch hintertrieben.

Angesichts der möglichen Auswirkungen auf die gesamte Europäische Union zeigt sich die EU-Kommission »äußerst besorgt«. Die außenpolitische Sprecherin Nabila Massrali forderte Algerien am Donnerstag auf, die Entscheidung zu überdenken und rückgängig zu machen. »Algerien ist ein sehr wichtiger Partner der EU im Mittelmeerraum und spielt eine Schlüsselrolle für die regionale Stabilität«, erklärte Massrali.

Die Vorgänge kommen für die EU angesichts der Gaskrise zur Unzeit. Algerien ist nicht nur für Spanien ein wichtiger Lieferant. Inwieweit auch die Gaslieferungen betroffen sein werden, ist noch in der Schwebe. Algeriens Präsident Abdelmadjid Tebboune hat jedoch durchblicken lassen, dass weitere Schritte auch die Gasversorgung betreffen können.

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