Trennung vom Nazi-Admiral

Rolf Johannesson nicht mehr Namensgeber für Marine-Preis

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Streit um den Vorbild-Charakter des früheren Konteradmirals Rolf Johannesson (1900–1989) für die heutige Marine währt seit Jahren. Die Marine-Offizier-Vereinigung (MOV) hat nun erstmals Konsequenzen gezogen. Im Marine-Ausbildungszentrum in Flensburg-Mürwik steht seine Büste zu Ehren des hohen Offiziers der faschistischen Wehrmacht, obwohl Historiker schon vor geraumer Zeit recherchiert hatten, dass Johannesson als einer der Marine-Gründungsväter kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs auf Helgoland als zuständiger Kommandeur für den Abschnitt Seeverteidigung Elbe-Weser der deutschen Kriegsmarine fünf Menschen erschießen ließ. Ihnen war Meuterei vorgeworfen worden, weil sie über der Hochseeinsel die weiße Flagge als Zeichen der Kapitulation hissen wollten.

Doch Johannessons Karriere ging nach Kriegsende weiter. Und so werden bis heute seine Verdienste um den Aufbau der Bundesmarine nach 1956 beschworen. Bis vor kurzem war sogar eine Auszeichnung war nach ihm benannt: der »Admiral-Johannesson-Preis«. Alljährlich wurden damit für junge Marineoffiziersanwärter geehrt. Davon hat sich die MOV jetzt abgewandt. Sie bestätigte vergangene Woche, dass der Preis für den Trainingsbesten zum militärfachlichen Dienst jetzt nur noch »Bestpreis« heißt. Sie wollte sich aber nicht zu den Beweggründen äußern.

Inzwischen ist bekannt, dass Johannessons Flecken auf der Weste noch größer sind als zunächst angenommen. Lange hatte es geheißen, er habe sich gegen manchen Befehl widersetzt und mutig Distanz zur NS-Führungsriege gehalten. Nun sind aber neuerliche Zweifel daran in Form eines Zigarettenetuis aufgetaucht, was ein Angebot bei einem Militaria-Handel aufzeigt. Joachim Gottschalk, der sich als Pensionär der Aufarbeitung der NS-Zeit verschrieben hat, entdeckte bei dem Militaria-Händler ein silbernes Etui, das Kriegsverbrecher Hermann Göring 1939 Rolf Johannesson geschenkt hatte. Dieser hatte das Etui mit eingraviertem Namen der NS-Größe sogar noch während und nach seiner Bundeswehrkarriere mit weiteren Gravuren versehen, Görings Schriftzug jedoch nie entfernt. Gottschalk schlussfolgert, dass Johannesson sich zeitlebens nicht von Göring distanzierte.

Wie passt das aber zusammen mit dem Image eines integren Soldaten? 2019 schrieb der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages noch: »Johannesson verschwieg tatsächlich zeitlebens seine Verantwortung für seine Bestätigung der Todesurteile«, entscheidend sei aber, dass er »nicht nur aus seinen persönlichen Fehlern, mitunter auch seinem moralischen und charakterlichen Versagen die richtigen Schlüsse gezogen und sie maßgeblich in der Alltagsroutine und Praxis der bundesrepublikanischen Marine umgesetzt hat«.

Historiker stören sich seit Jahren daran, dass Johannessons Büste in der Marineschule Mürwik nicht nur aufgestellt wurde, sondern monieren auch, dass sie unmittelbar neben der Büste des Widerstandskämpfers Alfred Kranzfelder (1908–1944) ihren Platz fand. Mit dem nun aufgespürten Etui nimmt die Debatte um das Thema wieder Fahrt auf.

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