Embargo schadet Schwedt und nicht Moskau

Brandenburgs Linksfraktion sieht keine Schwächung des russischen Präsidenten durch Sanktionen

  • Matthias Krauß, Potsdam
  • Lesedauer: 4 Min.

Die mit dem Krieg in der Ukraine begründete Embargo-Politik hat nach Auffassung von Brandenburgs Linksfraktionschef Sebastian Walter nicht zu einer Schwächung Russlands geführt. Über neue Lieferverträge mit China und Indien erziele der russische Staat von Präsident Wladimir Putin eher »deutliche Mehreinnahmen«, sagte Walter am Dienstag. Er lehne es ab, »in die Ecke von Putin gedrückt zu werden«. Wenn man mit einem Einfuhrverbot für russisches Öl Putin wirklich schwächen könnte, »wären wir sofort dabei«, beteuerte Walter. Es sei aber nicht erkennbar, dass Russland weniger Panzer oder Munition herstelle. Real treffe die gegenwärtig verfolgte Politik Deutschland selbst viel stärker als Russland.

Auch Die Linke trete dafür ein, von russischem Öl unabhängig zu sein, sagte Walter. Doch sollte man nicht länger so tun, als würde das geplante Öl-Embargo den Krieg beenden. »Was hilft es, wenn in Schwedt 1200 Arbeitsplätze verloren gehen?« Auf dem Spiel stehe derzeit nicht nur die Versorgung Ostdeutschlands mit Treibstoff, sondern zusätzlich die Versorgung der chemischen Industrie mit Rohstoffen. Walter legte dem Parlamentarischen Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums, Michael Kellner (Grüne), den Rücktritt nahe.

Als Leiter der Taskforce von Bund und Land zur Rettung der PCK-Raffinerie in Schwedt sei Kellner nicht geeignet. Diese Position sollte stattdessen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einnehmen, meint Walter. Schwedt benötige eine finanzielle Absicherung durch den Bund nach dem Vorbild des Lausitzer Braunkohlereviers.

Er freue sich, dass Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) unmissverständlich für eine Zukunft der Raffinerie eintrete, sagte Walter. Er nehme aber ein »großes Schweigen« der Grünen wahr. Es seien Zweifel angebracht, dass die Grünen als Woidkes Koalitionspartner in Brandenburg dessen Position in der Energiepolitik mittragen. Walter warb erneut für eine Treuhandverwaltung der Schwedter Raffinerie, wodurch der Mehrheitseigner, der russische Staatskonzern Rosneft, abgelöst werden sollte.

Wenig hält Linksfraktionschef Walter überdies von einer Dienstpflicht für junge Leute, wie sie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) jüngst angeregt hat. Schon jetzt seien 50 Prozent der Jugendlichen ehrenamtlich tätig, argumentierte Walter. Vielleicht sollte man ein solches Pflichtjahr für Politikerinnen und Politiker einführen, weil ihnen das eine größere Nähe zu den realen Problemen vermitteln würde, so Walters Gegenvorschlag. Aus Sicht von CDU-Landtagsfraktionschef Jan Redmann hingegen »lohnt es sich, darüber zu diskutieren«. Der Dienst bei der Bundeswehr solle dabei eine von vielen Möglichkeiten darstellen.

Redmann warf im Weiteren Ex-Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) eine frühere Nähe zu Russland vor – ein Fehler, »den er selbst inzwischen eingesehen hat«. Die Aussagen von Staatssekretär Kellner, Deutschland könne auf die Raffinerie-Kapazität von Schwedt verzichten, wies Redmann zurück. Das würde die hoch problematische Monopolsituation weiter vertiefen. Es gehe darum, eine 100-prozentige Auslastung von Schwedt abzusichern und nicht, »dem Standort das Totenglöckchen zu läuten«. Redmann zeigte sich sicher: »Eine Raffinerie, die nur zu 70 Prozent arbeitet, kann am Markt nicht bestehen und würde in Insolvenz gehen.«

Wenn im Bundeswirtschaftsministerium hinter die Notwendigkeit der Raffinerie in Schwedt ein Fragezeichen gesetzt werde, kommen bei SPD-Fraktionschef Daniel Keller Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Bemühungen auf, den Standort zu erhalten und das zur Chefsache zu machen. Minister Habeck habe den Erhalt des Standorts zugesagt, doch nach vier Wochen sei immer noch nicht klar, wie er das bewerkstelligen wolle. »Er steht im Wort«, sagte Keller. Vorwürfe an Brandenburg, es halte eine »Putin-Nähe« und profiliere sich als »Russen-Versteher«, seien irritierend, beleidigend und nicht hinnehmbar.

Die SPD habe sehr wohl ihr Verhältnis zu Russland aufzuarbeiten, sagte Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke dazu. Am Erhalt des Standorts Schwedt müsse selbstverständlich gearbeitet werden. Raschke versicherte, Staatssekretär Kellners Aussage sei nicht als Absage an Schwedt zu verstehen. Die Politik müsse sich darauf vorbereiten, dass Putin selbst die Erdöl- und Erdgaslieferungen stoppt.

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