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- Gas aus Israel
In der Levante bleiben die Lichter aus
Flüssiggas aus Israel soll Europas Energieprobleme lösen, die Nachbarländer gehen leer aus
Vor 20 Jahren wurden im östlichen Mittelmeer Gasvorkommen gefunden. Was für die Länder der Region ein Segen für die eigene Entwicklung sein könnte, macht auf dem weltweiten Energiemarkt etwa zwei Prozent aus. Wegen Kriegen, Krisen und regionalen Streitigkeiten über die Abgrenzung der Gasfelder wird das Gas nicht genutzt.
Der Streit zwischen Libanon und Israel eskalierte Anfang Juni, als ein von Israel beauftragtes Bohrschiff im Karish-Gasfeld die Arbeit aufnehmen wollte. Dieses Gasfeld wird sowohl von Israel als auch vom Libanon beansprucht. Die libanesische Regierung sprach von einer Aggression in libanesischen Gewässern und warnte vor Folgen; Israel zog das Schiff daraufhin zurück.
Anders als die östlichen Mittelmeeranrainerstaaten fördert Ägypten seit 1960 Öl und Erdgas, seit 1965 auch aus dem südlichen Mittelmeer. 2003 wurde die sogenannte Arabische Gas-Pipeline in Betrieb genommen, die Ägypten mit Jordanien, Syrien und Libanon verband und die Stromversorgung sicherte. 2008 entstand eine Pipeline zwischen Ägypten und Israel, das billiges Gas aus Ägypten importieren wollte. 2012 wurde die Arabische Gas-Pipeline wegen anhaltender Anschläge gegen die Infrastruktur auf dem Sinai geschlossen.
Die Arabische Gas-Pipeline
Der zehnjährige Krieg in Syrien sorgt in allen Nachbarländern für enorme wirtschaftliche Probleme. Um die katastrophale Strom- und Energieversorgung im Libanon zu beheben, vereinbarten Ägypten, Jordanien, Syrien und der Libanon im Herbst 2021, die Pipeline wieder in Betrieb zu nehmen. Syrien reparierte die Pipeline, die in der südwestlichen Provinz Deraa durch Kämpfe beschädigt worden war. Finanziert werden sollte die Gaslieferung zunächst durch die Weltbank mit einem Kredit für den Libanon. Damit sollte einerseits Ägypten für das Gas und andererseits Jordanien für die Lieferung von Strom bezahlt werden.
Doch die Lichter bleiben aus, weil die USA sich weigern, ihre gegen Syrien verhängten Sanktionen, das »Caesar-Gesetz«, auszusetzen. Das Gesetz bedroht Unternehmen und Staaten, die Handel mit Syrien treiben. Die beteiligten Staaten benötigen von den USA eine Garantie, dass sie im Falle der Inbetriebnahme der Pipeline – die durch Syrien verläuft – nicht mit Sanktionen bestraft werden. Die Weltbank gibt erst grünes Licht für den Kredit, wenn die USA als größter Beitragszahler zustimmen.
Am Wochenende hieß es in Beirut, die Regierung werde am Dienstag die Verträge mit Ägypten und Jordanien unterzeichnen. Die USA hätten erklärt, der Vertragsabschluss sei Voraussetzung dafür, dass man die Sanktionen prüfen könne. Im Libanon befürchtet man ein weiteres Hinhalte-Manöver der USA. Sollte eines Tages tatsächlich wieder Gas durch die Arabische Pipeline fließen, könnte die Stromversorgung im Zedernstaat von derzeit maximal zwei Stunden pro Tag auf zehn gesteigert werden.
Palästinenser sind größte Verlierer
Syrien ist durch die US-Blockade der Arabischen Gas Pipeline doppelt betroffen, weil das Land auch daran gehindert wird, die eigenen nationalen Öl- und Gasvorkommen im Nordosten des Landes zu nutzen. Die großen Ölfelder Syriens sind von rund 900 US-Soldaten besetzt, die deren Ausbeutung – zugunsten der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDK) – überwachen.
Die größten Verlierer des Energiepokers im östlichen Mittelmeerraum sind die Palästinenser. Ihnen verweigert Israel – neben dem Diebstahl von Land und Wasser – auch die Entwicklung ihrer eigenen Gasvorkommen im Marin-Feld vor der Küste des Gazastreifens.
Israel wird bei der Entwicklung und Förderung seiner Gasvorkommen von den USA, Großbritannien und EU-Ländern unterstützt, um künftig zu einem »maßgeblichen« Gaslieferanten für Europa zu werden. Mitte Juni unterzeichneten EU-Kommission, Ägypten und Israel in Kairo eine entsprechende Absichtserklärung.
Israel benötigt ägyptische Anlagen, um das Gas zu verflüssigen und auf Tanker zu laden, die dann Richtung Europa fahren sollen. Mit Ägypten will die EU-Kommission eine langfristige Wasserstoffpartnerschaft für den Mittelmeerraum entwickeln. Aber laut der Nachrichtenagentur Reuters heißt es aus offiziellen Kreisen in Israel, dass es »noch einige Jahre dauern« werde, bis israelisches Flüssiggas Europa erreiche. Die technischen Voraussetzungen müssten noch geschaffen werden.
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