Brenzlige Lage bei der Feuerwehr

Brandenburger Landtag debattiert am Donnerstag in einer Aktuellen Stunde über den Katastrophenschutz

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.

Nach den Waldbränden im Landkreis Potsdam-Mittelmark sind weiterhin mehrere Hundert Feuerwehrleute im Einsatz. In Treuenbrietzen seien es noch etwas mehr als 100, in Beelitz mehr als 300, sagte Landrat Marko Köhler (SPD) am Dienstag im RBB24-Inforadio. Unterstützt würden sie von der Bundeswehr. Sie kämpften weiterhin gegen Glutnester. In Beelitz seien auch Räumpanzer im Einsatz, um Schneisen zu schlagen.

»Die Mischung aus Temperatur und auffrischendem Wind, der die Feuchtigkeit wieder aus dem Gebiet zieht, birgt natürlich ein Risiko«, sagte Köhler mit Blick auf die nächsten Tage. »Von daher werden wir noch einmal massiv, auch aus der Luft, die Flächen mit Wasser versehen.« Köhler sagte, die Einsatzkräfte seien heute deutlich besser ausgerüstet als bei den letzten großen Waldbränden vor vier Jahren. Es gebe viel mehr Löschwasserbrunnen. Es sei aber eine Generationenaufgabe, die Munition in den Wäldern zu beseitigen.

Am Wochenende hatten rund 20 Kilometer voneinander entfernt zwei große Waldflächen gebrannt. Mehrere Hundert Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Vor 20 Jahren konnte der brandenburgische Feuerwehrverband noch auf rund 50 000 aktive Kameradinnen und Kameraden verweisen, inzwischen sind es noch etwa 37 000. Alle Werbe- und sonstigen Maßnahmen der vergangenen Jahrzehnte haben die negative Entwicklung nicht stoppen können, die damit zusammenhängt, dass in den ländlichen Räumen immer weniger junge Menschen leben. Auch das gezielte Ansprechen von Frauen und Jugendlichen hat wenig geholfen. Die Freiwillige Feuerwehr ist tagsüber oft nicht einsatzbereit, weil die Feuerwehrleute nicht selten weit entfernt einer Tätigkeit nachgehen und die Truppe allenfalls während einer Alarmierung bei Nacht halbwegs vollständig am Feuerwehrhaus eintrifft.

Bei der Brandbekämpfung unweit von Treuenbrietzen und Beelitz haben die Beteiligten jetzt »Übermenschliches« geleistet, sagte am Dienstag Brandenburgs Linksfraktionschef Sebastian Walter. Für die Probleme sollte die Landesregierung mit der gleichen Geschwindigkeit Auswege finden, mit der sie die Ansiedlung des Autokonzerns Tesla unterstützt habe. Nachzudenken sei über weitere Stützpunktfeuerwehren, wenn die ehrenamtliche Struktur der Freiwilligen Feuerwehr immer unzuverlässiger werde. Walter regte einen »Feuerwehrgipfel« an, um die drängendsten Fragen rasch zu beantworten. Den Regierungsparteien SPD, CDU und Grüne warf er vor, beim Brand- und Katastrophenschutz in bedeutendem Umfang »gekürzt« zu haben. Es bestehe ein hoher Bedarf an moderner Ausrüstung. Man dürfe sich nicht auf die Kommunen verlassen, die zum großen Teil »nur wenig Geld« dafür erübrigen könnten.

Das bestritten die Vertreter von SPD und CDU entschieden. Sie verwiesen darauf, dass die Brandbekämpfung der vergangenen Tage unter anderem auch deshalb erfolgreich gewesen sei, weil jede Menge neue Feuerwehrfahrzeuge daran beteiligt gewesen seien. Das Problem der personellen Stärke sei nur durch höhere Attraktivität des Ehrenamts bei der Feuerwehr zu lösen, sagte der SPD-Abgeordnete Uwe Adler. Die Einführung einer »Retterprämie« vor einiger Zeit sei dabei als wichtiger Schritt anzusehen. SPD-Fraktionschef Daniel Keller lobte die Bereitschaft der Nachbarländer und auch des Landes Berlin, in bedrohlichen Lagen zu helfen. Die Frage der Übernahme von Kosten werde dabei auf faire und freundschaftliche Weise geregelt.

Zum Vorschlag eines »Feuerwehr-Gipfels« zitierte CDU-Fraktionschef Jan Redmann spöttisch den alten Politikspruch: »Und wenn ich nicht mehr weiterweiß, dann bilde ich einen Arbeitskreis.« Der CDU-Abgeordnete Björn Lakenmacher verwies darauf, dass das von seiner Partei vorgeschlagene Thema für die morgige Aktuelle Stunde des Landtags formuliert worden war, als das Feuer bei Beelitz und Treuenbrietzen noch gar nicht ausgebrochen war. Lakenmacher zufolge ist Brand- und Katastrophenschutz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine wesentlich weiter zu fassen als bislang und verlange auch ein komplexeres Herangehen. Sollte es der militärische Bereitschaftsfall erfordern, dass Reservisten zur Bundeswehr eingezogen werden, dann – so schätzte Lakenmacher – würden 30 bis 40 Prozent der Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr nicht mehr zur Verfügung stehen. »In einem solchen Fall werden in vielen Bereichen und auf vielen Ebenen Menschen plötzlich fehlen.«

Die CDU erörtert mit ihren Koalitionspartnern SPD und Grüne, ob ein Landesamt für Bevölkerungsschutz gebildet werden soll. Allerdings sind solche Strukturen keine Gewähr für den Erfolg. Lakenmacher bestätigte, dass bei der Flutkatastrophe im Ahrtal die Katastrophenschutz- und Alarmierungsstrukturen sowie die technische Hilfe versagt hatten. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage verspricht er sich von der Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht Fortschritte, doch sei diese klug auszugestalten.

CDU-Fraktionschef Redmann sprach sich ebenfalls für eine solche Pflicht aus, doch sollte sie »deutlich flexibler« als die frühere Wehrpflicht gefasst werden. Für ihn bedeute dies, dass die Ableistung eines solchen Dienstes »nicht zwingend nach der Schule« angesetzt werden sollte. Mit dpa

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